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Aus Sicht eines Wohnmobil-Verkäufers

Es ist doch mehr dahinter, wie nur mit einem weissen Hemd blöd da zu stehen und Verträge hinzuhalten.

Fünf Tage als Wohnmobilverkäufer haben Anita und ich nun hinter uns. Es waren harte und lange Tage, schmerzende Füsse, müde Beine. Vor der Öffnung der Messe die Unterlagen vorbereiten, schwarze Kühlschränke polieren, Küchenabdeckungen wieder zum Glänzen bringen, Fingerabdrücke von Spiegeln wegwischen, Teppiche saugen. Nach der Schliessung abends Schreibkram erledigen, Liefertermine abfragen, Offerten sortieren und endlich etwas kleines Essen oder eine fehlende Information einem neuen oder zukünftigen Kunden zukommen zu lassen. Echt, ein 24-Stunden-Knochen-Job, ich habe es mir einfacher vorgestellt. Im Knutschi waren wir nur zum Schlafen, weisse Hemden anziehen, duschen und dann ging es wieder los.

Aber es war spannend, sehr spannend. Ich kenne die Modellpalette jetzt im Schlaf, weiss wo es einen grossen Kühlschrank gibt, wo kein Bettenumbau möglich ist, wie hoch vom Boden die Markise montiert wird, wo die USB-Dosen versteckt sind und wie dick die Isolation des Bodens oder der Seitenwände ist, warum der Boden Holz enthält und ein GFK-Boden nicht immer besser ist. Und noch 1000 andere Dinge. Aber dann doch wieder nicht alles und genau das nicht, was der Kunde fragt. Aber dafür hatten wir Patrick von Carado im Hintergrund, der uns dann die ganz speziellen Dinge auch noch erklären konnte.

Aber ich habe auch gelernt, die potenziellen Kunden zu beobachten und einzuschätzen. Das lernt man irgendwie schnell, denn man will auch Erfolg haben. Allerdings spürte ich auch, dass ich nie ein perfekter Profiverkäufer werde, ich bin lieber ein perfekter Proficamper und will die Leute einfach gut beraten. Und auch ein gutes Gewissen haben...

Wir waren am Carado-Stand ein wirklich gutes Team, vielleicht nicht das erfolgreichste von allen, aber eines der ehrlichsten. Weder Jonas noch Ruedi oder ich waren skrupellose Verkäufer, auch hatten wir keinen Konkurrenzkampf, sondern ergänzten und halfen uns Gegenseitig. Keiner von uns ist Profiverkäufer und keiner muss von der Verkaufs-Provision leben, vielleicht der kleine Unterschied.

Aber man lernt schnell, echt schnell. Ich habe die Kunden schnell in vier Gruppen eingeteilt.

Die Zielstrebigen

Die kommen meistens Vormittags, steuern direkt auf ein bestimmtes Modell hin, betreten es, schauen ein paar Details an und sind dann schon bereit, eine konkrete Preisofferte zu bekommen. Ins Gespräch kommen ist hier ganz einfach, am Fahrzeug etwas zeigen was die Kunden schon lange wissen, denn diese sind sehr gut informiert und wissen viele technische Details. Nach wenigen kritischen Fragen meinerseits hatte ich da jeweils das Gefühl, ob dieses Fahrzeug zum zukünftigen Kunden passt oder nicht. Wenn nicht, zeige ich ihm ein Alternativmodell und das ist jeweils der entscheidende Moment. Gefällt ihm das andere Modell nicht, ist ein Verkauf wahrscheinlich, denn dann muss nur der Preis stimmen und eine sinnvolle Konfiguration gefunden werden. Gefällt ihm das Alternativmodell gut oder ist gar begeistert, habe ich kurzfristig verloren. Dieser Kunde kam mit einer bestimmten Vorstellung an den Stand und wenn ihm nun ganz plötzlich ein anderes Modell besser gefällt, ist er plötzlich verunsichert und muss nochmals darüber schlafen und sich im Klaren werden, was er nun wirklich will. Ich bin aber sicher, dass dieser Kunde irgendwann wieder kommt, auch erst nach der Messe, und sich das neue Modell kaufen wird. Ich werde davon nicht mehr profitieren, aber der Kunde ganz bestimmt. Ein skrupelloser Profiverkäufer zeigt ihm sicher kein anderes Modell und verkauft ihm so sein Traum-Womo, auch wenn es eigentlich sein Falsches ist.

Solche Beispiele habe ich in den fünf Tagen einige erlebt, z.B. bei einem Ehepaar, dass direkt auf den Vollintegrierten zusteuerte. Total begeistert, und beim Nachfragen meinerseits, stellte sich dann heraus, dass dieses Ehepaar das Hubbett nie brauchen wird. Warum also nicht ein Modell ohne Hubbett? Die Offerte fiel bedeutend günstiger aus, das Womo hat mehr Zuladung und genau das, was das Ehepaar eigentlich gesucht hatte. Aber es muss sich nun von seiner alten Vorstellung zuerst lösen… Oder die Leute, die die gesamte Messe nur Kastenwagen angeschaut haben und ich sie dann in den V132 (einen schmalen, herzigen Van-Teilintegrierten), eingeladen hatte und sie genau DEN gesucht haben…

Die Zurückkehrenden

Sie kommen zwei- oder dreimal an den Stand zurück, betreten immer wieder etwas unsicher ein bestimmtes Womo. Auch hier kommt man locker ins Gespräch und wenn man dann ein paar Vorteile und Überraschendes über dieses Womo zeigen kann, bestätigt dies dem Kunden seine Wahl. Wenn dann wieder das Gefühl stimmt und der Preis auch, ist das Womo schon fast verkauft.

Die Suchenden

Sie schlendern von einem Womo zum anderen, wieder zurück, und wieder in ein anderes. Ziellos. In einem Gespräch können sie nicht direkt sagen, was sie suchen. Also sprechen wir über Womoreisen, schöne Länder und ich stelle ein paar Fragen. So finde ich relativ schnell heraus, welche Modelle da in etwa in Frage kommen und zeige ihnen zwei Fahrzeuge. Diese Kunden sind dann schnell zu begeistern und sind auch echt dankbar für die Beratung. Vielfach aber wollten sie noch gar kein Womo kaufen und sind nun unsicher, ob sie so schnell schon so viel Geld in die Hand nehmen wollen. Auch hier braucht es mehr Zeit, denn schliesslich geht es um mehrere zehntausend Franken. Klar, ein Profi-Verkäufer widerspricht mir hier und kann den Kunden so überzeugen, dass er das Geld sofort ausgibt und kauft. Aber zum Glück bin ich kein Profi.

Die Besserwissenden

Er hat schon ein Womo, hat sich auf etwas spezialisiert und weiss die dicke der Dämmung fast jedes Modells auswendig. Und dann kommen Fragen, dessen Antworten er schon weiss. Die sind echt mühsam, kaufen sowiso nicht und diskutieren um Details, die niemand interessieren. Hier gebe ich dem Kunden dann einfach immer recht und warte einen Moment ab, um ein Detail zu platzieren, was er garantiert nicht wissen kann. Danach finde ich jeweils eine Ausrede, um ihn zu verlassen und ich mich einem andern Kunden widmen kann.

Die Neugierigen

Entweder Wohnmobilbesitzer, die einfach nur schauen wollen oder zukünftige Camper, die noch keine Ahnung haben. Eigentlich eine brotlose Kundschaft, da sie nicht kaufen werden, man aber die Marke Carado mit ein paar coolen Details und Infos ins Gedächtnis einbrennen kann. Und dann vielleicht in ein paar Jahren doch noch Kunden werden könnten.

Das alles ist jetzt nicht wissenschaftlich fundiert, aber diese Einteilung habe ich mir im Kopf innerhalb diesen 5 Tagen zurechtgelegt und werde sie bei einem eventuell weiteren Einsatz als Womoverkäufer sicher noch etwas verfeinern.

Man sieht, ich lerne schnell…

Und noch etwas: allen, denen ich nun ein Wohnmobil verkauft habe, habe ich ein sehr gutes Gefühl und freue mich mit, wenn es denn in ein paar Monaten geliefert wird. Ihr werdet jahrelang richtig Freude haben!

Übernachtung

Bern - Parkplatz Wankdorf**
Parkplatz

ziemlich teuer (32 CHF für 24 Std)

Koordinaten: 46.96261,7.466906
N 46° 57' 45.4"  E 7° 28' 0.9"
letzter Besuch: 10.2016

30.10.2019 - "warum der Boden Holz enthält und ein GFK-Boden nicht immer besser ist" -> Hier würden mich tatsächlich Details interessieren. Wir haben uns in der Vergangenheit viele gebrauchte Wohnmobile mit Wasserschaden angeschaut und für mich kommt eigentlich nur noch holzfrei in Frage. Würde mich freuen, wenn Du zu dem Thema etwas mehr Details verraten kannst. Danke :-)

Christian


4.11.2019 - Hallo Anita, hallo Rolf, euer Einsatz war einfach super und man hätte es nicht besser machen kann.

Michael


5.11.2019 - Danke für den unterhaltsamen Beitrag und die interessanten Einblicke :) Da zeigt sich mal wieder, dass Verkaufen viel mit Psychologie zu tun hat. Wie schön, dass ihr keinen Provisionsdruck hattet und die Leute ehrlich beraten konntet. Daumen hoch!

- Lisa Caravanci


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