und viel Glück
Wir geniessen jede Sekunde der ruhigen Nacht, in vollem Bewusstsein, dass es ganz anders sein könnte. Und wir wissen: für uns haben wir die richtige Entscheidung getroffen, dass wir für heute nicht noch in Le Mans geblieben sind.
Nach einem ruhigen Erwachen spazieren wir geniesserisch um den sehr schönen Lac de la Monnerie (3.5km). Der Himmel und die Wolken spiegeln sich im Wasser, Fischer üben ihr Handwerk aus, Jogger rennen um den See.
Es sind aber insgesamt nicht viele Menschen unterwegs. Wieder beim sehr schönen Stellplatz zurück, ent- und versorgen wir und fahren Richtung Nordwesten, an Nantes vorbei. Passieren Châteaubriand, Camembert in der Normandie lassen wir aus, in Brioche kommen wir nicht vorbei und die Orte Cordonbleu oder Raclette gibt es nicht. Letzteres landet aber heute beim Abendessen auf unserem Womotisch.
Wir kommen nach 260km gut gelaunt in Carnac an.
Es gibt hier einen Stellplatz ohne Infrastruktur, dafür kostenlos. Und wie es so ist, wenn etwas kostenlos ist, sind wir nicht die einzigen. Es ist ziemlich voll, aber das macht uns nichts aus. Wir wollen die Steinlinien von Carnac besuchen, die nur wenige hundert Meter entfernt sind. Die Steinlinien bestehen aus rund 3000 aufgestellten Menhiren (Steinblöcken), die über mehrere Kilometer in Reihen aufgestellt sind. Entstanden sind sie in der Jungsteinzeit (ca. 4500–3300 v. Chr.), also deutlich älter als die Pyramiden von Gizeh oder Stonehenge. Niemand weiss genau, warum sie errichtet wurden. Theorien reichen von Kultstätten über Kalenderanlagen bis hin zu Gräbern. Die Ausrichtung vieler Steine scheint astronomische Bezüge zu haben – zum Beispiel zu Sonnenauf- oder -untergängen. Der größte Stein („Géant du Manio“) ist über 6,5 Meter hoch und wiegt wohl mehr als 300 Tonnen.
Vor vielen Jahrhunderten zog ein gewaltiges Heer von Kriegern durch die Bretagne. Sie waren stolz, laut und unbesiegbar – so glaubten sie. Doch auf ihrem Weg nach Carnac stellten sie sich gegen alles, was heilig war: Sie verspotteten die Sonne, trampelten über Felder, und sie lachten über die alten Götter. Da erschien ihnen plötzlich Merlin der Zauberer, der Wächter uralter Geheimnisse. Mit seinem Stab schlug er in die Erde und rief: „Ihr wollt ewig unbesiegbar sein? So soll es geschehen!“ Noch ehe die Krieger ihre Schwerter ziehen konnten, wurde ihr Gebrüll stumm. Einer nach dem anderen erstarrte, Arme erhoben, Schilde bereit – und sie verwandelten sich in Stein. Seitdem stehen sie dort, Reihe an Reihe, mitten in Carnac. Manche sagen, in stillen Nächten kann man noch das Flüstern der versteinerten Krieger hören, die sehnsüchtig auf den Tag warten, an dem Merlin den Zauber wieder löst.
Wir können die Krieger nicht erlösen, schlendern aber um sie herum, machen Fotos und geniessen sogar einen Regenbogen bei schönem Wetter.
Als wir uns wieder auf den Heimweg machen, passiert es. Die Krieger rächen sich an uns, weil wir sie nicht erlösen können. Zuerst knarrt und knistert es vor uns im Wald, und dann, aus heiterem windstillen Himmel kracht keine 10m vor uns ein Baum über den Spazierweg! Mit voller Wucht! Eine andere anwesende Spaziergängerin schaut uns geschockt an, wenn wir nur ein paar Sekunden früher dran gewesen wären, wir hätten die Rache der versteinerten Krieger mit voller Wucht erfahren!
Mit mulmigem Gefühl laufen wir zu unserem Knutschi, dort angekommen, vergessen wir den Vorfall aber schnell, denn auf unserem kleinen Raclettöfelchen brutzeln bald die ersten Käse.
Unsere Welt ist heil und wir sind glücklich.