und die ersten paar Kilometer
unser Knutschi mitten drin in der Wasserlandschaft
Endlich sind wir wieder einmal unterwegs. Für länger und ohne berufliche Verpflichtungen, also wirklich Ferien. Diese sind dringend nötig, sowohl für mich wie auch für Anita. Wir hatten wirklich einen strengen Sommer mit viel Arbeit. Aber nun sind wir wieder unterwegs und nur schon nach ein paar Stunden ist die Arbeit weit hinter uns.
Wir wollen in den Norden von Frankreich, Bretagne, Normandie, zwei Wochen lang und dann eine Woche nach England. Das neue Haus vom Bruder von Anita anschauen und dann gleichzeitig Kinderkleider und andere Kindersachen holen -Anita wird Grossmutter…
Unser Knutschi ist frisch geputzt, getankt, geflickt, beladen, als wir heute morgen etwas nach 9 Uhr starten. Wir wissen nur, dass wir nach Norden und durch Frankreich fahren wollen. Ich habe einen schönen Stellplatz direkt an der Mosel in Charmes herausgeschrieben. Direkt am Ufer, tolle Sicht auf den mythischen Fluss. Die Mosel ist übrigens der 3. grösste Nebenfluss des Rheins (welches ist der grösste? Erstaunlich, es ist die Aare!)
Auf unserem Weg durch die Vogesen kommen wir direkt an der Quelle der Mosel vorbei – ein Zufall? Natürlich halten wir dort an und machen ein paar Fotos. Gerade in diesem Moment öffnet der Himmel allerdings seine Schleusen und es regnet kräftig. Doch wir lassen uns nicht entmutigen. Faszinierend ist es allemal: Aus einem schmalen Rinnsal, das nur wenige Schritte nach der Quelle plätschert, wird im Laufe von 544 Kilometern ein stattlicher Fluss, der bei seiner Mündung in den Rhein ganze 320 Kubikmeter Wasser pro Sekunde mit sich führt.
Nach der Quelle fahren wir nach Charmes und sind beim Stellplatz geschockt. Geschlossen, der gesamte Platz ist von Schaustellern belegt, anscheinend findet da in den nächsten Tagen ein Jahrmarkt oder ähnlich statt. Und das auf dem so schönen Stellplatz, auf den ich mich wirklich gefreut haben. Meine Laune wird sofort leicht säuerlich, aber nur so lange, bis ich auf Google Maps einen weiteren Stellplatz nur 5 Minuten weiter gefunden habe. Also Motor starte und die letzten paar Minuten noch durchhalten.
Und wir haben grosses Glück: dieser Stellplatz ist ja noch toller wie der vorherige! Nur 5 Plätze, gegen vorne den Vogesenkanal und eine Schleuse, nach hinten einen sehr schönen, grossen Fischteich. Vorne und hinten Wasser, und von oben hat es inzwischen auch abgetrocknet. Und wir sind ganz alleine hier.
Der Entscheid ist schnell gefällt, hier bleiben wir, auch wenn es nicht mal 16 Uhr ist. Geniessen ist angesagt!
Zu Fuss erkunden wir die Gegend und sind je länger je mehr begeistert. Die Mosel fliesst ruhig und noch eher klein im hinteren Teil des Gebietes dahin, vorne gibt es unzählige grosse Teiche für die Fischer und mitten zwischendurch fliesst der Vogesen-Kanal, ehemaliger Canal de l’est.
Wir sind angekommen, angekommen in den Ferien, angekommen in Frankreich, angekommen in unserem Knutschi.
Wald von Arenberg
Wir sind im Norden von Frankreich, an der Grenze zu Belgien. Und da ist eines klar: wir besichtigen die Pavées vom Wald von Arenberg. Diese Waldpassage ist eine Schlüsselstelle vom Radklassiker Paris – Roubaix. Und diese Waldpassage hat mir alles gebracht, was möglich ist: ich wurde da schon abgehängt, fuhr hier aber auch solo alleine an der Spitze durch den Wald, wurde schon eingeholt, fuhr mit der Spitzengruppe mit, als es um den Sieg ging, bin dann aber in sehr aussichtsreicher Position unverschuldet gestürzt, musste das Rennen aufgeben und einen Zuschauer fragen, ob er mich ins Ziel bringt, mein Velo war Schrott. Auf diesem Stück habe ich also schon alles erlebt. Warum dann im Eingang ein Gedenkstein von Jean Stablinski (ehemaliger Radprofi) aufgestellt wurde und nicht von Rolf Järmann, begreife ich bis heute nicht…
Aber es ist schon eindrücklich und bei mir sind augenblicklich alle Erinnerungen wieder präsent. Die Positionskämpfe vor diesem Stück, das Tempo, wo man mit 60km/h auf die Kopfsteinpflaster im engen Gewühl der anderen Profi fährt, Angst hat, das Vorderrad rutscht weg, Augen zu und durch. Und dann das Schütteln des Lenkers, die Schläge der Steine, die Plombierung des Waldweges, die schreienden Zuschauer, die Pfützen auf der Seite. Und dann ab der Mitte der Passage steigt der Weg ganz leicht, die Beine tun weh, die Muskeln sind hart. Und dann, dann wenn man den letzten Stein überwunden hat, links weg auf die Asphaltstrasse und nochmals Vollgas gegeben: komme ich in die Gruppe nach vorne oder bleibe ich hinten hängen? Nur noch 95km ins Ziel.
Und dann kommt die Frage von Anita wie aus dem nichts: «Warum fährt man hier mit dem Rennvelo drüber? Das kann doch nicht gesund sein?» «Ähh, mhh… Es ist und war eben immer so.»
Es gefällt mir hier, endlich erlebe ich die Steine ohne Stress, ohne Angst. Und ganz gemütlich.
Fabian (Cancellara) ich ziehe den Hut vor deinen Leistungen hier!
Danach, als ich mich mit den Emotionen vollgesaugt habe, wollen wir noch die Kohlemine besichtigen. Die drei Türme, die als Radprofi das Zeichen war, nun definitiv an die Spitze des Feldes zu fahren, will ich auch mal in Ruhe ansehen, und nicht nur auf dem Velo. Es ist aber nichts los, die Webseite der Mine ist tot, alles geschlossen. Wir finden aber doch noch ein Türchen, das offen ist und uns auf das Gelände lässt. Es ist schon eindrücklich und ganz hinten finden wir auch der Elefant der Erinnerung. Dieser Elefant, 13m hoch, wurde um 18 Hundert nach Christus geplant, wurde aber nicht realisiert und erst zum 200 jährigen Jubiläum der Französischen Revolution 1989 erstellt. Aber seit 1997 wartet dieser Koloss auf einen Käufer. Man braucht nur 6 Sattelauflieger und einen 25 Tonnen-Kran, der die vier 17 tönnigen Teile zusammensetzt.
Als wir wieder beim Knutschi sind, merken wir, dass wir schon in einer strukturschwachen Region von Frankreich sind, (Wir sind bei den Ch’tis. Wer kennt diesen Film noch?) kein Stellplatz weit und breit. So entschliessen wir, noch bis zum Meer zu fahren und zwischendurch endlich mal einzukaufen.
Wir sind heute sehr weit gefahren, erlebten viele Emotionen und unbekannte Gegenden. Einfach toll, auch wenn man nicht in so bekannten Gegenden unterwegs sind.
Wir haben übrigens schlussendlich einen ganz tollen Stellplatz hoch über dem Meer gefunden.
Wir sind glücklich.
18km zu Fuss und Kreditkarte im Schlitz vergessen
Nachts liess der Wind nach, dafür begann es immer wieder zu regnen. Macht aber nichts, wir schlafen im warmen und haben schön trockenen. Morgens beeilen wir uns dann gar nicht, geniessen die Sicht aufs Meer und warten ab, bis der wieder aufkommende Wind den Regen vertreibt. Danach ziehen wir die Wanderschuhe an und machen einen Spaziergang.
Zuerst geht es zum Meer runter und danach an der hügeligen Küste auf dem schönen Küstenweg nach Boulonge-sur-Mer. Vorbei an vielen alten Bunkern aus dem 2. Weltkrieg, einige gefüllt mit Wasser, andere abgestürzt auf den Strand, wieder andere verwachsen oder nur noch Trümmer. Irgendwie schon eindrücklich, was hier während dem Krieg von den Deutschen zum Schutz aufgestellt wurde und schlussendlich doch nichts genützt hat.
Wir wandern bis zum Fort d'Alprech, eines der letzten Widerstandpunkte der Deutschen an der französischen Nordseeküste, das erst am 22. September 1944 (3 ½ Monate nach dem D-Day) durch die kanadische Infanteriedivision eingenommen werden konnte.
Der Leuchtturm ist keine Augenweide und wir erkoren ihn zum schlechtestaussehenden Leuchtturm aller Zeiten. Von da geht es über Land, etwas weniger romantisch wieder zurück zu unserem Knutschi. Wir haben 8km in den Füssen als wir zurück sind. Wenn wir einen Hund hätten, hätten wir nun genug Gassi gegangen für heute. Aber wir haben ja keinen…
Wir packen zusammen und fahren mit dem Womo 100km nach Treport. Selbstverständlich nehmen wir die Autobahn, schliesslich haben wir das neue Kästchen von Tollticket und bei den Zahlstationen piept es und die Schranken gehen wie von Zauberhand jeweils auf. Kein zum Fenster hinauslehnen, keine Kreditkarte einstecken und die Schulter verrenken. Das wird mir aber bei der Tankstelle zum Verhängnis. Ich tanke voll, bezahle mit der Kreditkarte und quatsche noch kurz mit der Tankkassiererin. Dabei vergesse ich unsere Kreditkare im Schlitz, was mir aber erst auffällt, als ich am Tor des Stellplatzes stehe und bezahlen sollte. Mist, keine Karte mehr... Ich ärgere mich masslos, bezahle nun mit der Ersatzkarte. Was machen? Wir entscheiden, morgen nochmals bei der Tankstelle vorbeizufahren und nach der Karte zu fragen. Wir haben ein Konto und die Karte von Wise, der Vorteil: keine Kursverluste oder andere Spesen bei Bezahlung im Ausland und der weitere Vorteil kommt jetzt zum Tragen: mit einem Klick haben wir die Kreditkarte gesperrt, und wenn wir sie wieder haben, können wir sie ganz einfach wieder entsperren. Wir werden hoffentlich also keine neue Karte brauchen.
Nach dem Ärger gehen wir am Nachmittag aber zu Fuss nach Treport hinunter. Zuerst mit der Funiculaire gratis ans Meer runter, dann zum Hafen. Es ist grad Ebbe und das Wasser 8m tiefer, wie bei Flut. Dadurch sehen die Hafenmolen extrem hoch aus und die Boote im Hafen liegen auf dem Schlick. Der eigentliche Hafen ist durch eine Schleuse vom Meer getrennt, diese öffnet sich jeweils 4 Stunden vor der Fluthöchststand und schliesst 4 Stunden danach wieder. Dadurch ist der Hafen jeweils voll Wasser, aber die Schiffe können nur in diesen 8 Stunden ein- und ausfahren. Die restlichen 5 Stunden bleibt der Hafen geschlossen.
Wir marschieren über die Schleuse bis zum Plage de Mers-les-Bains, wo das Wasser nun ebenfalls 8m weiter unten ist. In einem Strandkaffee machen wir Rast, essen Crepes, trinken eine heisse Schokolade und geniessen den Meeresdurft.
Danach machen wir uns wieder auf den Weg zurück, wo wir nach insgesamt 10km auf dem Stellplatz ankommen. Heute insgesamt 18km zu Fuss zurück gelegt. Nicht schlecht, oder?
Jetzt sind wir aber schon etwas auf den Stümpen und dann merke ich, dass wir wohl unser Knutschi unter einer Möwentoilette parkiert haben. Wir haben ganz 15 Möwenschisse auf unserer Windschutzscheibe! Was für ein Scheiss! Haben die Möwen etwas gegen unser Knutschi? Oder gegen Wohnmobile?
Pont du Normandie
Wir verlassen Treport in die falsche Richtung, müssen zuerst mal noch 3km zurück zu der Tankstelle und fragen, ob gestern eine Kreditkarte abgegeben wurde. Aber leider nein, was mich dann schon etwas komisch erscheint. Wenn ich die Karte doch im Schlitz gelassen habe… Aber was solls, Anita kann die Karte sperren und wenn wir im Internet etwas kaufen, können wir sie temporär wieder öffnen. Und unsere Ersparnisse können auch nicht leergeräumt werden, wir haben aktuell nur etwa 500 CHF auf diesem Kreditkartenkonto.
Also geht es weiter Richtung Honfleur, unserem Tagesziel. Ehrlicherweise ist die Pont du Normandie unser Ziel. Die Brücke wurde 1995 eröffnet und war dazumal weltweit die grösste Schrägseilbrücke mit einer Spannweite von 856m und gesamter Länge von über 2km. Die Steigung beträgt übrigens satte 6%, bis man den höchsten Punkt erreicht. Das weiss ich noch, weil wir im Eröffnungsjahr mit der Tour de France über diese Brücke fuhren und alle grosse Angst vor dem Seitenwind in luftiger Höhe hatten. Die Steigung machte uns dann im Finale aber mehr Mühe wie der Wind, im Massensprint gewann dazumal übrigens Mario Cippollini (ich wurde 22. Aber das wusste ich nicht mehr, das habe ich in den Archiven zusammengesucht). Überhaupt, die Tour de France war immer dabei, wenn in Frankreich ein grosses Bauwerk fertig gestellt wurde. So durchquerten wir ein Jahr vorher den Eurotunnel, bevor er überhaupt eröffnet wurde. Dort haben wir übrigens das Mannschaftsfahren an jenem Tag gewonnen. Es waren die schnellsten letzten 20km in meinem Rennfahrerleben. Wir waren zu fünft, fünf mussten ins Ziel kommen und keiner wollte «langsamer» rufen und zugegeben, dass er der schwächste der Fünf war. So haben wir uns in einen Rausch gefahren und die Etappe gewonnen. Eine Erinnerung, die mir mein Leben lang bleibt. Ach ja, auch meine Mami mag sich noch gut an dieses Rennen als Zuschauerin erinnern. Zitat: «Das schönste Rennen zum zuschauen, gelbe Felder, Sonnenschein, Hügellandschaft, und mittendrin harmonische Radteams in Einerkolonne» Na ja, von dem allem habe ich nicht wirklich etwas mitbekommen…
Wenn ich so in Erinnerungen schwelge, merke ich, dass die Normandie und Bretagne für mich nicht das schlechteste Rennfahrer-Pflaster war. Schliesslich habe ich hier auch noch das grösste französische Rennen der Gegend vor 200'000 Zuschauern gewonnen…
Jetzt bin ich abgeschweift, zurück zur Brücke. Nach der Überquerung der Brücke fahren wir rechts, lassen die Drohne aufsteigen und versuchen, von der Brücke ein tolles Foto zu machen. Ab da sind es dann nur noch 2 km bis zum riesigen Stellplatz von Honfleur.
Wir parken unser Knutschi am Rand des Hafenbeckens, und beginnen, unsere Wohnmobil zu durchsuchen. Die Kreditkarte lässt mir keine Ruhe. Und tatsächlich, zwischen Tablet und Handy ist sie in der Mittelkonsole in das untere Fach runtergerutscht und schlummerte friedlich vor sich hin.
Also alles wieder ruhig und wir laufen direkt mit Kreditkarte los ins Städtchen. Beim alten Hafenbecken buchen wir noch eine Schiffsrundfahrt (wir müssen ja schauen, ob die Kreditkarte noch funktioniert) und sitzen eine halbe Stunde später schon mitten auf der Saine und fahren etwas später unter der Pont du Normandie hindurch.
90 Minuten dauert die Schiffsfahrt, bevor wir wieder festen Boden unter den Füssen haben. Wir schlendern durch das wirklich sehr schöne Städtchen Honfleur, besichtigen die Kirche Sainte Catherine, die grösste Holzkirche Frankreichs und machen uns dann in einem kleinen Restaurant direkt am alten Hafenbecken bequem.
Wir bestellen einen Topf Muscheln (unser Ziel dieser Reise, dass wir endlich mal Muscheln essen) und müssen sagen: sie sind wirklich gut und ich weiss gar nicht, warum ich mich so lange dagegen gesträubt habe.
Dann, auf dem Nachhauseweg vertilgen wir noch ein grosses Glacé und wir sind auch mit diesem Tag richtig glücklich.
Honfleur wird zu einem unserer Lieblingsstädtchen erkoren.
2. Weltkrieg
Egal, wo man sich in der Normandie bewegt, um den 2. Weltkrieg kommt hier niemand vorbei. Entweder sind es Bunkeranlagen in der Nähe der Küste, Informationstafeln oder in fast jeder Ortschaft irgend ein Kriegsmuseum.
Ein Grund für uns, diesen Krieg an einem Tag abzuhandeln und zum amerkanischen Soldatenfriedhof oberhalb Omaha Beach zu fahren. Am 6. Juni 1944 landeten am D-Day („D-Day“ bedeutet wörtlich: „der Tag X“, an dem eine militärische Operation beginnt) amerikanische, britische, polnische und englische Soldaten. Über 9000 Schiffe überquerten den Ärmelkanal und ein grosser Teil wollte diesen Strandabschnitt erobern. 150'000 Soldaten landeten an diesem Tag in der Normandie, etwa 5000 Allierte starben alleine am ersten Tag. Unglaublich, wenn man denkt, dass jeder einzelne Tote ein eigenes Schicksal für sich und die Angehörigen schreibt. Es gibt einem zu denken, wenn man all diese weissen Kreuze sieht, dass man heute noch nicht schlauer geworden ist und immer noch Kriege geführt werden für einzelne Grössenwahnsinnige.
Der Friedhof macht Eindruck. Schon am zweiten Tag des D-Days wurden hier die ersten Toten begraben und heute liegen 9388 amerikanische Soldaten auf diesem Friedhof, 9388 weisse Marmorkreuze, eine unglaubliche Zahl.
Auf Gedenkkarten wird der Frontverlauf an verschiedensten Zeitpunkten dokumentiert und mittendrin, grau markiert, die Schweiz, die keinen Krieg geführt hat. Soll man stolz darauf sein? Stolz darf man auf die alliierten Streitkräfte sein, sie haben schliesslich Europa befreit. Was wäre, wenn alle so neutral gewesen wären wie die Schweiz? Europa würde völlig anders aussehen und gäbe es dann die Schweiz noch?
Und es hat ja nichts geändert: Europa kann sich immer noch nicht selber verteidigen, die Schweiz hält sich unter dem Denkmantel der Neutralität raus und vertraut auf die andern. Anscheinend ist in den letzten 80 Jahre niemand schlauer geworden.
Wir verlassen den Soldatenfriedhof mit beklemmenden Gefühlen und spazieren zum goldgelben Strand hinunter. Auch hier, ein Mahnmal nach dem andern, die Bunker der Deutschen mit Übersicht über den gesamten Strand, unten Gedenktafeln auf einem Stein, wo die Alliierten dahinter die ersten Verwundeten pflegten, der einzige Schutz vor Gewehrfeuer auf dem gesamten Strand.
hinter dem Stein der einzige Schutz auf dem gesamten Strand
Wir geniessen auf einem Strandspaziergang wohl das tolle Wetter, top-Stimmung kommt an diesem Ort aber nicht auf.
So fahren wir dann nachmittags weiter Richtung Le Mans. Wir haben Tickets gekauft für zwei Tage Lastwagenrennen auf der Rennstrecke. Wir sind sehr gespannt, was uns da erwartet!
Nichts für Zartbesaitete
Als wir gestern Richtung Le Mans fahren, wissen wir überhaupt nicht, was auf uns zu kommt. Wir haben zwei Ticket für 24 Stunden Lastwagenrennen und ein Ticket für das Zuschauercamping. Auf der Autobahn fahren wir einfach den Wegweisern «Le Mans course» nach und irgendwann kommen dann die farbigen Wegweiser, wo wir gemäss Tickets den gelben nachfahren müssen. Es staut schon auf der Autobahn zurück und wir merken, dass das Ganze wahrscheinlich doch viel grösser ist, wie wir gedacht haben. Überall grosse, hupende Trucks, Leute stehen an den Kreuzungen und winken den Tracks (und uns) zu. Wir fühlen uns wie kleine Stars. Etwas später trennen sich dann aber die roten Wegweiser (Fahrerlager) und die gelben (Zuschauer) und ab da winkt uns niemand mehr zu.
Check-In ist beim Eingang schnell gemacht, wir bekommen eine Anweisung: reinfahren und irgendwo hinstellen, egal wo. Nur Notausgänge müssen frei bleiben. Nichts von Platzeinweiser, nichts von Markierungen, nichts von Notausgängen. Wird doch alles überbewertet. Einfach irgendwo kreuz und quer in die Wiese hineinstellen. Keine Ahnung, wo Durchfahrten sind, wo Zonen zum Parken sind, einfach irgendwo hin. Es stehen Wohnwagen, Wohnmobile, PW’s und Zelte quer durcheinander. Gemäss Webseite darf jeder 35m2 Platz beanspruchen. Kontrolle? Daran halten? Interessiert gerade gar niemanden. Wir richten uns ein, drehen in dem sonnigen Wetter unsere Markise raus und beobachten das Treiben.
Links von uns laufen zwei Generatoren, hinter uns sind 5 Jünglinge mit Bier beschäftigt, schräg hinten raucht ein Grilleur die ganze Region mit Rauch ein, vorne dröhnt normale Musik, schräg vorne Technomusik. Ein buntes emsiges Treiben. Dieses Treiben nimmt mit jeder Stunde zu, die Lautstärke auch, der Platz füllt sich immer mehr. Nachts um halb zwölf wird die Musik noch aufgedreht, um halb zwei beginnen die Jünglinge hinter uns zu singen, um 4 Uhr zu grölen. Ruhe ist erst um 4:30 Uhr, ausser die zwei Generatoren tuckern immer noch vor sich hin. Endlich schlafen wir bis um 8 Uhr, dann beginnt das Treiben von denen, die anscheinend schlafen konnten.
Wir sind nur halb wach und halb im Schlaf, dümpeln bis 11 Uhr vor uns hin, verzichten auf die Training- und Zeitläufe, die Rennen sind erst am Nachmittag. Von der Rennstrecke haben wir noch nichts gesehen…
Etwas später machen wir uns zu Fuss auf zur Rennstrecke. 20 Minuten und schon stehen wir mitten in dieser Weltbekannten Rundstrecke. Dieser Event ist viel grösser, als wir es uns erträumt hatten, Tribünen fast voll, aber auch wir finden für uns einen Platz auf der Ziel- und Startgeraden. So ein Lastwagenrennen dauert 11 Runden, ca. 25 Minuten und es gibt heute drei verschiedene Rennserien à je zwei Läufe. Wir kommen also voll in den Genuss und schon beim ersten Rennen kommen vier LKw’s nicht mehr ganz heil ins Ziel. Zu gross war das Gerangel in den Kurven. Auch die Streckenposten haben viel zu tun: nach jeder Passage müssen wieder Abschrankungspfosten neue montiert werden. Die Posten sprinten jeweils mit einem Ersatzpfosten zur Kurve, stecken den neuen ein, lesen den alten von der Strecke zusammen und sprinten zurück. Jedesmal unter tosendem Applaus des Publikums. Und schon in der nächsten Runde sleidet ein LKW mit der Hinterachse wieder in den Pfosten und macht das nächste Kleinholz.
Die Rennen sind unterhaltsam, es läuft etwas und das, was wir nicht im Blickfeld haben, können wir auf einem grossen Screen verfolgen, inklusive Zeitlupe von Gerangeln, Sleids und Überholmanöver.
Zwischendurch schlendern wir mit Hamburger in der Hand an den toll bemalten LKW’s vorbei, betreten Fanshops und geniessen die laute Rennatsmosphäre, den Dieselgeruch, den Lärm und die Tempis bis 160km/h.
Gegen 18 Uhr treten wir den Heimweg zu unserem Knutschi an, ab 19 Uhr wäre dann die Fahrerparade, um 22 Uhr ein Feuerwerk und danach ein Popkonzert. Und morgen nochmals je zwei Rennläufe.
Bei unserem Womo das gleiche wie gestern Abend: zwei Generatoren laufen, die Gruppe hinter uns singt schon wieder Lieder und von vorne werden wir mit Musik nicht in unserem Lieblingsstil beschallt. Tun wir uns das nochmals eine Nacht an? Nein! Das Problem ist aber, wie könnten wir von hier wegkommen? Eingeparkt von allen Seiten, kein Weg auf die Strasse zurück. Wir nehmen zu Fuss einen Augenschein und finden eine Lücke zwischen zwei Womos, die uns gross genug erscheint. Allerdings müssen wir beim fremden Womo die Markise hineintreiben, den Tisch wegtragen und den ausgelegten Teppich zusammenrollen. Dann weisst mich Anita Zentimeter-genau zwischen den Womos hindurch. Es wird sau knapp, aber wir kommen heil auf den Weg. Also wieder Teppich ausrollen, Tisch aufstellen, Markise raus und schnell verduften.
30 Minuten später sind wir auf einem tollen Stellplatz am Wasser, kein Tönchen, keine Musik, kein Grölen, kein Rauch von Grilleuren und kein Generator der brummt. Wie kann das Leben schön sein!
und viel Glück
Wir geniessen jede Sekunde der ruhigen Nacht, in vollem Bewusstsein, dass es ganz anders sein könnte. Und wir wissen: für uns haben wir die richtige Entscheidung getroffen, dass wir für heute nicht noch in Le Mans geblieben sind.
Nach einem ruhigen Erwachen spazieren wir geniesserisch um den sehr schönen Lac de la Monnerie (3.5km). Der Himmel und die Wolken spiegeln sich im Wasser, Fischer üben ihr Handwerk aus, Jogger rennen um den See.
Es sind aber insgesamt nicht viele Menschen unterwegs. Wieder beim sehr schönen Stellplatz zurück, ent- und versorgen wir und fahren Richtung Nordwesten, an Nantes vorbei. Passieren Châteaubriand, Camembert in der Normandie lassen wir aus, in Brioche kommen wir nicht vorbei und die Orte Cordonbleu oder Raclette gibt es nicht. Letzteres landet aber heute beim Abendessen auf unserem Womotisch.
Wir kommen nach 260km gut gelaunt in Carnac an.
Es gibt hier einen Stellplatz ohne Infrastruktur, dafür kostenlos. Und wie es so ist, wenn etwas kostenlos ist, sind wir nicht die einzigen. Es ist ziemlich voll, aber das macht uns nichts aus. Wir wollen die Steinlinien von Carnac besuchen, die nur wenige hundert Meter entfernt sind. Die Steinlinien bestehen aus rund 3000 aufgestellten Menhiren (Steinblöcken), die über mehrere Kilometer in Reihen aufgestellt sind. Entstanden sind sie in der Jungsteinzeit (ca. 4500–3300 v. Chr.), also deutlich älter als die Pyramiden von Gizeh oder Stonehenge. Niemand weiss genau, warum sie errichtet wurden. Theorien reichen von Kultstätten über Kalenderanlagen bis hin zu Gräbern. Die Ausrichtung vieler Steine scheint astronomische Bezüge zu haben – zum Beispiel zu Sonnenauf- oder -untergängen. Der größte Stein („Géant du Manio“) ist über 6,5 Meter hoch und wiegt wohl mehr als 300 Tonnen.
Vor vielen Jahrhunderten zog ein gewaltiges Heer von Kriegern durch die Bretagne. Sie waren stolz, laut und unbesiegbar – so glaubten sie. Doch auf ihrem Weg nach Carnac stellten sie sich gegen alles, was heilig war: Sie verspotteten die Sonne, trampelten über Felder, und sie lachten über die alten Götter. Da erschien ihnen plötzlich Merlin der Zauberer, der Wächter uralter Geheimnisse. Mit seinem Stab schlug er in die Erde und rief: „Ihr wollt ewig unbesiegbar sein? So soll es geschehen!“ Noch ehe die Krieger ihre Schwerter ziehen konnten, wurde ihr Gebrüll stumm. Einer nach dem anderen erstarrte, Arme erhoben, Schilde bereit – und sie verwandelten sich in Stein. Seitdem stehen sie dort, Reihe an Reihe, mitten in Carnac. Manche sagen, in stillen Nächten kann man noch das Flüstern der versteinerten Krieger hören, die sehnsüchtig auf den Tag warten, an dem Merlin den Zauber wieder löst.
Wir können die Krieger nicht erlösen, schlendern aber um sie herum, machen Fotos und geniessen sogar einen Regenbogen bei schönem Wetter.
Als wir uns wieder auf den Heimweg machen, passiert es. Die Krieger rächen sich an uns, weil wir sie nicht erlösen können. Zuerst knarrt und knistert es vor uns im Wald, und dann, aus heiterem windstillen Himmel kracht keine 10m vor uns ein Baum über den Spazierweg! Mit voller Wucht! Eine andere anwesende Spaziergängerin schaut uns geschockt an, wenn wir nur ein paar Sekunden früher dran gewesen wären, wir hätten die Rache der versteinerten Krieger mit voller Wucht erfahren!
Mit mulmigem Gefühl laufen wir zu unserem Knutschi, dort angekommen, vergessen wir den Vorfall aber schnell, denn auf unserem kleinen Raclettöfelchen brutzeln bald die ersten Käse.
Unsere Welt ist heil und wir sind glücklich.
hat nichts mit Menschenrechten zu tun
Wie vielfach in den letzten Tagen, regnete es Nachts und tagsüber ist es dann ein Wechsel von Wolken und Sonne. So auch heute, morgens alles nass, aber wir kommen auch heute trocken durch den ganzen Tag. Zuerst wird Diesel getankt und Kühlschrank aufgefüllt, danach fahren wir durch Quimper, leeren dort das WC an einer öffentlichen Entsorgungsstelle und fahren nochmals 30 km.
Quimper wird manchmal die „heimliche Hauptstadt der Bretagne“ genannt – nicht, weil sie politisch wichtig war, sondern weil sich hier bretonische Sprache, Religion und Kultur so stark konzentrieren. Bretonen sehen sich nicht nur als Franzosen, sondern vor allem auch als Bretonen. Sie sind stolz auf ihre Geschichte im ehemaligen Herzogtum und auf ihre keltischen Wurzeln und ihre eigenständige Sprache. Bretonisch gehört – wie Walisisch oder Kornisch – zur keltischen Sprachfamilie. „Têtu comme un Breton“ (starrköpfig wie ein Bretone) ist in Frankreich ein geflügeltes Wort. Kein Zufall also, dass Asterix und Obelix, obwohl sie offiziell Gallier sind, immer in der Bretagne lebten und eigentlich Bretonen waren. Kommt ja nicht von ungefähr: nirgends auf der Welt gibt es so viele und so alte Menhire, Hinkelsteine, Dolmen und wahrscheinlich auch Druiden.
Auch heute landen wir am Plage du Menhir. Es gibt gleich vor unserem Knutschi ein grossen, vollgbeschriebenen Menhir.
In einer stürmischen Januarnacht 1797 kämpfte das französische Schiff „Droits de l’Homme“ gegen Wind, Wellen und zwei englische Fregatten. Es verlor – und zerschellte auf den Klippen vor diesem Strand. Über 600 Menschen ertranken in der Brandung.
Jahre später kam ein Überlebender zurück. Er stellte sich an die Stelle, wo so viele ertrunken waren, und wählte einen uralten Stein, einen Menhir, der seit Jahrtausenden dort stand. Auf ihm ließ er eine Inschrift setzen – damit niemand die Opfer vergesse.
Seitdem nennen die Menschen ihn den Menhir des Droits de l'Homme (hat eben nichts mit Menschenrechten zu tun). Und wenn nachts der Wind vom Atlantik heraufzieht, sagen die Bretonen: Dann hört man noch immer die Stimmen der Seeleute, die dort im Sturm verschwanden.
Aber heute ist das Wetter wohl windig, aber viel Sonne und blauer Himmel. Wir geniessen den Strand, sitzen vor dem Wasser und machen Studien über die Wellen. Welcher Einfluss haben Temperatur, Windrichtung, Wasserströmung, Steinformen und Grobkörnigkeit des Sandes auf die Grösse der Wellen? Wir finden aber auch nach einer Stunde keine gültige Formel und bemerken nur eines: wir müssen immer weiter zurückweichen. Um genau 17:50 Uhr ist der Strand verschwunden, das Wasser 5m höher wie bei unserer Ankunft und wir noch immer fasziniert.
Der Stellplatz füllt sich allmählich mit anderen Wohnmobilen, wir sitzen im Windschatten vor unserem und schauen einfach aufs Meer raus.
Ein Franzose kann sich von unserem Design auf dem Knutschi nicht sattsehen und deckt uns mit einem Kompliment nach dem andern ein. So kommen wir mit ihm ins Gespräch und er erzählt uns vieles, auch wenn wir nicht ganz alles verstehen.
Später kocht Anita unser Abendessen, denn das Restaurant hier in der Nähe hat nun drei Ruhetage.
Nach dem Essen sitzen wir wieder draussen, und warten auf den Sonnuntergang über dem Meer. Das Wasser zieht sich langsam wieder zurück und wir sind als kleine Rädchen inmitten einer grandiosen Natur.
Kitschig schöner Tag
Wir packen am Strand bei schönstem Wetter zusammen und fahren weiter Richtung Norden. Der Himmel strahlend blau, die Sonne mit einem breiten Grinsen am Himmel. Es sieht kitschig aus, so schön ist es.
Wir fahren über kleine Strässchen bis nach Poulgoazec. Und dort sieht es so schön aus, dass wir uns spontan zu einem Stopp entschliessen. Es gibt sogar einen Stellplatz mit Ver- und Entsorgung, also benützen wir das grad, leeren unser WC, parkieren unser Knutschi und laufen zu Fuss ins Städtchen. Wir machen aber nur einige Fotos und geniessen den herrlichen Anblick des Hafens.
Danach geht es weiter und 20km später sind wir an unserem Tagesziel, dem Parkplatz vom Point du Raz. Dies ist eine felsige Landzunge, die weit ins Meer hinausragt, oft wird er als „ Penn ar Bed “ genannt (auf Deutsch: Das Ende der Welt). Andere nennen es die Antwort der Bretagne auf das Nordkap. Der Raz de Sein, die Meerenge vor dem Kap, ist berüchtigt für extrem starke Strömungen. Segler und Fischer fürchten sie bis heute.
Wir parken unser Knutschi nach Schwierigkeiten auf dem vorgesehen Ort für Wohnmobile. Bei der Einfahrt die rechte Schranke benützen, die linke ist verdammt eng und nicht für 2.35m breite Fahrzeuge gemacht. Das müssen wir schmerzlich erfahren, rechts streift der Rückspiegel, links die GFK-Abdeckung: ein paar Kampfspuren mehr an unserem Knutschi. Aber nicht so schlimm, wir ziehen später Turnschuhe an, schnappen Sonnenbrille und Fotoapparat und marschieren Richtung Leuchtturm. Als wir 15 Minuten später dort ankommen, merken wir, dass es heute ein Militärgebäude und Radaranlage ist, kein romantischer Leuchtturm. Die Felsenklippen und der Leuchtturm draussen auf der kleinen Insel sehen aber gewaltig schön aus.
Wir begnügen uns nicht mit dem Stopp hier, denn wir sehen kleine Trampelpfade weiter raus zu den Klippen. Also steigen wir diesen Wegen nach, klettern über Felsen, erklimmen schmale Weglein am Abgrund der Klippen. Wir kommen uns vor, wie auf einem 3000er in den Alpen. Manchmal müssen wir den Weg etwas suchen, zuerst links der Klippen, dann rechts und am Schluss wieder links. Und dann kommen wir zu einem gewaltig schönen Aussichtspunkt. Ausser uns ist nur noch ein einheimischer Fotograf hier und ein anderer Franzose sucht mit Rucksack und Wanderstöcken verzweifelt den Weg. Wir erklären ihm dann, wie wir hingekommen sind und er nimmt unsere Hinweise dankend an.
Wir geniessen hier die Aussicht direkt auf die gewaltige Meeresströmung, die zwei Leuchttürme draussen im Meer und können uns ab den Farben nicht satt sehen. Es sieht echt kitschig aus, man könnte meinen, die Fotos sind gemalt.
Irgendwann klettern wir wieder zurück zur Radarstation, wo es inzwischen deutlich mehr Leute hat. Weitere 20 Minuten später sind wir beim Parkplatz und dem Besucherzentrum.
Nun haben wir uns aber das Mittagessen verdient und bestellen 1x Fish and Chips und 1x Moules. Wir essen bei schönster Wärme draussen und diskutieren, was wir heute noch machen sollen. Bei Sonnuntergang nochmals auf die Klippen? Da es aber erst 15 Uhr ist, entschliessen wir, doch nochmals etwas weiter zu fahren. Es ist hier einfach toll, es gibt überall Stellplätze oder Orte, wo man mit dem Womo übernachten darf, so ist ganz schnell ein Platz gefunden, Navi programmiert und wir wieder am Fahren.
Eine Stunde später kommen wir am anvisierten Panorama-Parkplatz an und wir sehen 700m weiter schräg unten einen tollen Strand. Klar, dass wir den auch noch besichtigen müssen!
Wir laufen über Sanddünen Richtung Meer, bis wir dann auf dem total flachen, knallgelben Sandstrand ankommen. Wow, was für ein Anblick! Wir spazieren 1km über den Sand bis zu einer kleinen Erhebung, erklettern diese und geniessen wiederum einen tollen Blick auf das Meer. Danach geht es zurück, die Dünen hoch zu unserem Wohnmobil.
Nur wenige hundert Meter hinter unserem abgestellten Womo liegt die Chapelle Sainte-Anne-la-Palud, aus der Kirchenlieder ertönen. Also auch noch dort hinein und wir lauschen einige Minuten der einheimischen Chorprobe.
Sainte Anne ist die Schutzpatronin der Bretagne und die Legende erzählt, dass sie im 5. Jahrhundert einem Einsiedler namens Guénolé erschien und ihn bat, eine Kapelle an diesem Ort zu errichten. Seit dem Mittelalter pilgern die Menschen hierher, um die Heilige zu verehren und jedes Jahr Anfangs Herbst kommen hier tausende Menschen zusammen, Prozessionen in bretonischer Tracht, Musik mit Bombarden und Binioù (bretonischem Dudelsack), Gebete am Strand.
Das Fest haben wir verpasst, heute ist es eher ruhig.
Endlich sind wir dann um 18 Uhr wieder in unserem Knutschi und haben Zeit, uns zu erholen.
Der Himmel ist blau, die Sonne noch immer mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
Nochmals ein paar Schrammen
Der Morgen ist wundervoll mit toller Aussicht. Sollen wir nochmals einen Tag hier bleiben? Aber anderswo könnte es doch auch schön sein, oder? Also packen wir zusammen und fahren 91km nach Lampaul-Plouarzel auf den dortigen Stellplatz. Wir waren vor 8 Jahren schon mal hier und es hat uns dazumal unglaublich gut gefallen, auch wenn es Januar war. Ich habe etwas angst, dass dort alles voll ist, also fahren wir schon kurz nach 9 Uhr los.
Nach 30km kommen wir auf die Autostrasse und wir haben das Gefühl, dass wir heute einen neuen Minusrekord an Kreisel brechen werden. Auf den ersten 30km nur 2 Kreisel und danach 40km Autostrasse ohne Kreisel, das könnte aufgehen. Aber dann am Schluss, kommt dann doch noch einer nach dem andern und zwischen Kreisel Nr. 21 und Nr. 22 passierts: in einer engen Passage durch ein Städtchen, mit Ampel, parkierten Autos und Strassenreinigungsmaschine wird es einen Moment zu eng. Hinterer Kotflügel weg! Natürlich ist der andere schuld (bitte nicht den Blog von Anita lesen). Anita sammelt unseren Plastikkotflügel ein und wir fahren weiter. Kurze Zeit später erreichen wir den fast leeren Stellplatz und platzieren uns mit Meersicht.
Danach wird unser Schaden unter die Lupe genommen und endlich weiss ich, wie diese Kotflügel montiert sind. Wieder etwas gelernt. Mit Panzertape ist der unsrige schnell wieder an Ort und Stelle, es sieht aber nicht mehr ganz so knusprig aus. Egal. Das nächste Mal soll der andere besser aufpassen!
Wir geniessen die Sonne, den Strand, das Meer. Es ist einfach nur herrlich! Viel machen wir heute nicht, kleine Spaziergänge, kurze Fototouren.
Wir studieren Ebbe und Flut und lernen, dass die Tiden jeden Tag um ca. 50 Minuten verschoben sind. Warum? Die Erde dreht sich in 24 Stunden einmal um sicher selber, der Mond hat aber 50 Minuten länger, bis er wieder ungefähr am gleichen Ort steht und die Flut folgt ja dem Mond. «Warum hat der Tag nicht 25 Stunden?» fragt Anita. «Dann könnte man es einfacher rechnen.» Gute Frage, wer weiss es? Auflösung ganz unten.
Vor dem Womo an der Sonne sind es gefühlte 25 Grad, auch, weil wir uns im Windschatten von unserem Knutschi platziert haben. Dort wo es vom Land her windet, ist es gefühlt nur noch 17 Grad.
Das abwechselnde Spiel der Wolken, das uns Sonne und Schatten beschert, ist einfach toll. Die Farben des Sandes leuchten gelb, der Gräser grün und die des Meeres knallblau. Wir haben ja wirklich tolles Wetter erwischt. Bisher sind wir noch nie nass geworden und lange Hosen waren noch nicht oft nötig.
Da wir heute weder einkaufen müssen, noch Lust haben auswärts essen zu gehen, faulenzen wir vor dem Womo. Ich bekomme einen roten Kopf (wer braucht schon Sonnencreme im Norden ende September?) und Anita meint, ich sei selber schuld. Aber eigentlich bin ich unschuldig, denn sie hätte mich ja warnen können. Aber einfach nichts sagen und mich in mein Unglück rennen lassen!
Danach, mit rotem Kopf, wollen wir um 19 Uhr nochmals ans Meer, um ein paar Vergleichsfotos von Ebbe und Flut zu machen. Die meisten unserer gemerkten Fotospots sind nun aber bei Flut unter Wasser und gar nicht mehr zugänglich. Unglaublich, welchen Höhenunterschied das Wasser hier hat!
Schon vor über 4.000 Jahren faszinierten sich die Babylonier für die Zeit und den Himmel. Sie entwickelten ein Zahlensystem zur Basis 60, das bis heute unsere Zeit- und Winkelmessung prägt. Warum 60? Ganz einfach: Es lässt sich durch viele Zahlen teilen (1,2,3,4,5,6,10,12,15,20,30), was Berechnungen erheblich erleichtert – perfekt für Astronomie und Mathematik.
Die Babylonier teilten die Nacht in 12 Stunden, basierend auf der Beobachtung des Mondlichts, während der Tag ebenfalls in 12 Abschnitte unterteilt wurde – die Urform unserer heutigen 24-Stunden-Einteilung. Sie nutzten Sternpositionen und Mondzyklen, um Tages- und Jahreszeiten zu berechnen und führten sogar Schaltmonate ein, um den Mondkalender mit dem Sonnenjahr abzugleichen. So konnten sie die Bewegungen von Planeten und Finsternisse vorhersagen – beeindruckend für die damalige Zeit!
Unser heutiges Erbe aus Babylon: 60-Sekunden-Minuten, 60-Minuten-Stunden und der 360°-Winkelkreis sowie die Aufteilung des Tages in 24 Stunden stammen direkt von diesen genialen Astronomen. Ein Beweis dafür, dass die Faszination für Zeit und Himmel schon vor Tausenden von Jahren die Menschheit inspirierte.
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