wir hatten schon bessere Tage
Es hat schon gestern Abend begonnen. Unser einsames Plätzchen in der Wildnis bei der Hängebrücke blieb einsam bis um 22 Uhr, dann fuhren plötzlich zwei Kleinbusse vor und 10 Leute stiegen aus, etwas später kamen nochmals Kleinbusse und Pws. Schlussendlich waren auf unserem Platz 20 Nordlichtjäger, die eine Nordlichttour gebucht hatten, Zelte aufstellten, Feuer machten und auf Nordlichter warteten. Diese Nordlichter zeigt sich aber nicht und um die zahlenden Gäste bei Laune zu halten, wurde lauthals Gruppenspiele abgehalten. Wir konnten dem Treiben nur zuschauen, Wegfahren wäre unmöglich gewesen. Dann plötzlich um 1 Uhr, als sich immer noch keine Nordlichter zeigten, fuhren dann alle auf Kommando weg und wir waren wieder alleine. Endlich war an Schlaf zu denken. Unser Übernachtungsplatz war also Reinfall Nr.1.
gestern Abend war der Parkplatz plötzlich voll
Morgens haben wir dann etwas länger geschlafen, schliesslich habe wir heute nur eine kurze Tagesetappe und der erste Stopp war schon 6km nach der Abfahrt auf der höchsten Strasse Finnlands. Aber auf der Passhöhe stand kein Schild, kein Hinweis, kein gar nix. Nicht mal ein „Dagewesen-Foto“ war machbar! Was machen? Also kein Foto und irgendwie gefrustet weiterfahren, Reinfall Nr. 2. Nach 30km kommen wir dann in das Feriengebiet Kilpisjärvi, das höchste in Finnland mit einem tollen See. Uns interessiert da das Dreiländereck Norwegen, Finnland und Schweden. Es ist weltweit das nördlichste Dreiländereck und da wollen wir hin. Also fahren wir zum Parkplatz und studieren die Schneebedingungen und den Weg. Mit den Langlaufskis über den hartgefrorenen See und dann mit Schneeschuhen zum Dreiländereck? Mit den Schneeschuhen direkt und 11km hin und 11 km zurück? Beides scheint nicht so spassig zu sein, bei diesem hartgefrorenen Schnee. (2 Tage Plusgrade und jetzt wieder -8). Alternative? Also zurück in das Ferienzentrum und zu einem Touranbieter. Wir erklären ihm, dass wir gerne zu diesem Dreiländereck gehen würden, was er uns empfehlen könnte. Die einzige Alternative sei eine Gruppen-Schneemobiltour morgen um 9 Uhr. Ob es nicht eine private Tour heute mit einem Guide sein könnte? Klar, kann es, kostet aber 600€. Das ist uns nun aber etwas zuviel, dafür dass es keinen Pulverschnee hat und auch nicht sonnig ist. Wenn man bedenkt, für diesen Preis könnten wir auf die Spitzbergen fliegen und dort zwei Nächte in einem Hotel verbringen als nur so einen blöden Betonsockel zu besichtigen. Also schlagen wir das Angebot aus und streichen den Besuch des Dreiländerecks (Reinfall Nr. 3). Wir müssen ja noch Ziele haben, wenn wir das nächste Mal kommen.
Was machen wir nun mit dem angebrochenen Tag? Wetterapp konsultieren, Google Maps fragen, Hirn einschalten. Wir stehen auf dem Parkplatz, genau 160km von Tromsø entfernt und heute Abend soll es dort den einzigen Wolkenfreien Abend der nächsten Tage geben. Ich träume ja schon lange von einem Foto auf die Stadt mit Nordlichtern, heute könnte es also die Gelegenheit sein. Also Motor starten und ab Richtung Tromsø.
Schon wenige Kilometer später überqueren wir die Grenze zu Norwegen, ab da sind die Strassen schwarz geräumt. Das heisst, der Schnee ist geschmolzen. So kommen wir durch eine schöne bergige Gegend ziemlich schnell vorwärts.
Dann sehen wir ein Schild mit einem Aussichtszeichen bei einem Wasserfall. Also stoppen wir und besichtigen den Wasserfall. Es ist aber eine ziemliche Tortour, die obersten 5cm des Schnees sind total eisig und wir müssen uns an Bäumen und Geländer festhalten, damit wir die 100m Weg schaffen. Ohne Sturz geht es nicht, aber wir bleiben gesund. Der Wasserfall selber sieht von oben schon gut aus, aber von unten wäre es viiieeeel besser. Aber da herunterkommen, keine Chance. Also wieder ein Kampf bis zu unserem Knutschi und weiter.
Wir kommen wirklich gut vorwärts, die Temperaturen schwanken zwischen 3 und 6 Grad, die Strassen Schwarzgeräumt, zwischendurch weit und breit kein Schnee. Wir sind doch im Winter hier nicht im Sommer! Es ist fast ein wenig frustrierend, wenn wir an unsere letzte Winterreise denken, Schnee in Hülle und Fülle.
Wir lassen uns die Laune aber nicht vermiesen und kommen gut beim Campingplatz in Tromsø an. Einchecken geht auf mundart (Schweizer gibt es überall) und dann ist es fast 15 Uhr.
Wir packen unseren Rucksack mit Stativ, warmen Kleidern und Stirnlampen und machen uns auf den Weg zur Bergstation Fjellheisen. Mit der Bahn hoch kann jeder. Zuerst 30 Minuten durch die Stadt laufen zum Start der Sherpatreppe. Von hier ist es knapp eine Stunde bis zur Bergstation. Aber schon auf den ersten 10m kommen wir an unser Limit, total vereist, Die Treppe sieht man unter einer weissen 40cm dicken Eisschicht nicht. Zum Glück haben wir wenigsten ein Paar montierbare Schuhspikes. Anita einen, ich den anderen. Nach 30m denken wir, wie blöd kann man sein, und nur ein Paar solche Schuhspikes zu haben? Wir lassen uns aber nichts anmerken und kämpfen uns regelrecht den Eishang hoch. Wir haben schon 4000er geschafft, und werden wohl nicht vor einem 380m hohen Berg kapitulieren? Der Kopf lässt es uns nicht zu und so schreiten wir Schrittchen für Schrittchen hoch. Als wir etwa die Hälfte geschafft haben, kommt uns ein Norweger entgegen und rät uns dringend, den restlichen Weg nicht mehr zu machen. Es sei viel zu gefährlich, der Rettungsheli soll heute schon 2x ausgerückt sein, um Touristen auf diesem Weg zu bergen. Wir sollen wieder die hälfte Absteigen und dann rechts den anderen Weg nehmen. Dieser sei zwar weiter, aber durch den Schnee viel sicherer.
im Aufstieg mit Tromsö im Hintergrund
Also wieder runter wie auf Eiern und dann beim Abzweiger kommt uns dieser Weg genau gleich eisig vor. Wir kämpfen uns wieder hoch, Anita grummelt hinten, wir wären besser den anderen Weg weiter hoch gegangen, dann wären wir schon lange oben. Die Spuren werden irgendwie immer weniger, die Bergspitze sehen wir nicht und dunkel wird es auch. Wir montieren die Stirnlampen und ich fluche innerlich, wie wir so einen Mist machen können, an einem fremden Berg im harten Schnee schlecht ausgerüstet und fast orientierungslos im Dunkeln unterwegs zu sein. Das Einzige, was ich weiss, die Bergstation ist oben, also wenn wir immer den Berg hoch gehen, irgendwann sind wir am Ziel. Gegenüber Anita kann ich mir aber nichts anmerken lassen, nur noch um die nächste Krete und dann sehen wir die Station sicher schon... (es waren etwa vier Kreten).
Irgendwann sind wir dann tatsächlich oben, nicht nach knapp 60 Minuten, sondern nach 2 Stunden und einer Minute. Und was wir oben sehen, ist eine fantastisch beleuchtetes Tromsø aber auch hunderte, wenn nicht tausende von Touristen und Nordlichtjäger. Wahnsinn! Wir kämpfen uns zum Restaurant durch, die Schlange für die Talfahrt ist draussen vor dem Gebäude länger wie innen, unglaublich. Auch die Schlange vor dem Selbstbedienungsrestaurant ist nicht ohne und einen Sitzplatz zu finden, chancenlos. Es hat hier so viele Leute, wie auf unserer ganzen Reise zusammen. Irgendwann hat dann jeder von uns eine heisse Schokolade, zu essen gibt es nichts, wir können ja nicht mal sitzen.
Also wieder nach draussen und bei der Bergkannte den zweitbesten Platz besetzen (der beste ist schon weg), Stativ aufstellen, Fotoapparat einstellen und warten. Kein Wölkchen am Himmel, top Sicht auf die Stadt, aber kein einziges Nordlichtlein. Nach über einer Stunde einen schwachen Schimmer für 3 Minuten und dann ist es wieder weg. Also warten wir nochmals eine Stunde, nix von nix. Es ist kalt, es ist windig, wir sind müde und wir haben Hunger.
Irgendwann geben wir auf und stellen uns in die Schlange für die Talfahrt. Kurz vor der Bahn merken wir, dass es keinen Ticketschalter gibt und man die Tickets online ordern muss. Ich bin schon leicht genervt, also Handy hervorkramen, Webseite suche, Tickets bestellen, Kreditkarte hervorkramen, Daten eingeben, E-Mail abwarte mit der Bestätigung und dann endlich habe ich zwei Bahnen später unsere Tickets.
Im vollen Bähnchen, dass wir um 21:30 Uhr endlich erwischt haben, plötzlich aaahhh und oooohhh. Die schönsten Nordlichter über der Stadt! Auch als wir unten ankommen, leuchten sie immer noch über den Häusern und auf dem halbstündigen Fussweg zum Campingplatz auch noch. Aus Prinzip mache ich kein Foto von denen, die haben es jetzt einfach nicht verdient!
Wir kommen total erledigt bei unserem Knutschi an, frustriert, kaputt und gegessen haben wir den ganzen Tag auch noch nichts. Anita zieht sich aus und kriecht wortlos unter die Decke. Hat sie sich auch verdient.
8:31 Uhr Sonnenaufgang
15:10 Uhr Sonnenuntergang
6:39 Std. Tageslänge
bewölkt, kein Wind, -10 Grad
205 km
3:16 Std.
62 km/h
8,6 Liter
9.2.2025 - Liebe Anita und Rolf, der Vorsatz „keine Abenteuer mehr“ hat nicht lange gehalten (nur an einem Schuh Spikes zu tragen ist vergleichbar mit einer Kette auf nur einem der Antriebsräder. Beides erhöht die Chance, im Spital zu landen. Ich und wohl alle anderen Leser dieses Blogs, möchten nicht lesen „und jetzt verfasse ich den Bericht im Spitalbett“. Gute Weiterreise - halt allenfalls auch mit vorhandenen Alternativen z.B. Bergbahn, lieben Grüssen und bleibt gesund!!!
Andreas&Pirkko
9.2.2025 - Achjeee, ich verfolge eure Reisen ja immer sehr gespannt! Leide jeweils mit und denke mir doch ab und zu, ihr seid doch nicht das erste Mal im Winter hier oben ;)
Der Aufstieg auf den Fjellheisen ist wirklich nicht ohne. Vor allem im Winter! Ich fand ihn im Oktober schon glitschig, als es nur 5 cm Schnee hatte! Ja, die Natur hat ihre eigenen Gesetze, die Nordlichter werden dort regelrecht "gejagt" und ich finde sie machen einfach süchtig. Ich hätte wohl wieder 500 Fotos gemacht. :P
In Tromsö wäre noch das Museum auf dem Hügel... das Universitätsmuseum. Wirklich spannend!
Ich freue mich, hoffentlich bald wieder positivere Beiträge zu lesen <3
Stefanie