Und wer kennt die Storelvan silta?
Storelvan silta
Es wird heute unser Tag! Das spüre ich schon, als ich um 5 Uhr morgens wach im Bett liege und der Regen aufs Dach prasselt. Was für ein Glück, dass es regnet, denn es könnte ja auch schneien. Anita weiss aber noch nichts von meinem unbändigen Willen, heute die Welt zu verändern.
Ungeduldig warte ich, bis um 7 Uhr endlich der Wecker klingelt und dann schnell auf, für Anita einen heissen Kaffee zubereiten (die gestrig veröffentlichte Aufgabenliste gab zwischen uns noch zu diskutieren), zusammenpacken und um 7:15 Uhr sind wir abfahrbereit. Wir müssen 20 Minuten zur nächsten Fähre fahren, die um 8 Uhr ablegen will. Wir schaffen es problemlos und es hat auch genügend Platz. Die Angst, dass zu viele Womos warten und wir dann erst die nächste Fähre nehmen können, war völlig unbegründet.
Aktuell sind hier oben im Norden extrem viele Womos unterwegs, sogar die Campingplatz-Besitzer meinen unisono, dass sie so etwas noch nie erlebt haben, dass viele Plätze schon Anfangs Juni ausgebucht sind.
das Fährcaffee mit der Kaffeemaschine
Es ist regnerisch und neblig, die Sicht nicht wirklich einladend und so machen wir es uns in der Cafeteria der Fähre gemütlich. Es ist eine alte Fähre, die auch noch nicht auf Elektromotoren umgebaut wurde. Von unseren vielen Fähren in Norwegen waren nur noch zwei oder drei Diesel betrieben, alle anderen fuhren mit grünem Strom. Die zwei Hausfrauen in der Fährcafeteria bereiten uns eine Waffel mit Erdberkonfi zu und die ist so lecker, dass wir danach grad noch eine bestellen.
schade, die 27. und vorläufig letzte Fähre
Nach der Fähre fahren wir Richtung Tromsø, wahrscheinlich die schönste Stadt in Norwegen, wenigsten für uns. Aber da wir diese Stadt schon das letzte Mal besichtigt haben und das Wetter noch nicht mitspielt, beschliessen wir, weiter zu fahren. Zuerst über die tolle, hohe und lange Sandnessundbrua bis auf die kleine Insel mit dem Flughafen, danach in den Tunnel, der unter der Stadt und dem nächsten Fjord untendurch geht. Wir wissen, dass dieser Tunnel ebenfalls einen Kreisel beinhaltet, wir wissen aber nicht, dass es zwei sind. Und unser Susi aus dem Navi in einem Tunnel oder GPS-Empfang ist ein Totalausfall und so haben wir keine Ahnung, welche Ausfahrt wir beim zweiten Kreisel nehmen sollen. Prompt entscheiden wir uns für die schlechteste Variante und landen 300m weiter unterirdisch vor einem Parkhaus mit Höhenbegrenzung 2:30m. Unser Knutschi ist aber 3:05m hoch! Was machen? An Board bricht Panik und die Pest aus und die einzige Lösung: im Tunnel mit unserem 7.40m Knutschi auf der Strasse wenden ohne Reserve zu den felsigen Tunnelwänden. Puls 200, schwitzige Hände, dunkel, Lärm von der Lüftung, Anita, die draussen winkt, ich, der irgendwie das Knutschi wendet, bevor die Polizei hier ist. Danach wie ferngesteuert dem Wegweiser «Centrum» folgend, nur raus aus diesem Loch! Ich erwarte, dass bei der Tunnelausfahrt die Polizei mich stoppt, aber nichts, ich fahre durch die Altstadt, danach über die Tromsøbrua bis wir endlich wieder auf einer Hauptstrasse sind.
Ich bin fix und fertig. Und Anita schmunzelt fies…
Danach fahren wir weiter zur nächsten Fähre und zu übernächsten. Heute sind es unsere Fähren Nr. 25 bis 27 und auf dieser Reise und bis zur Rückfahrt in Schweden unsere letzten. Irgendwie schade.
Aber dann, am Breitengrad Nord 60,60 erreichen wir zum ersten Mal die E6, quasi die Autobahn von Norwegen Richtung Norden. Wir haben es tatsächlich geschafft, bis hierhin diese Strasse nicht zu fahren. Weiter ohne die E6 ist unmöglich. So überqueren wir wenige Kilometer später die Storelvan silta, eine kleine unscheinbare Brücke, die fast niemand kennt und eigentlich alle Nordkap-Fahrer kennen sollten. Denn jeder, der in Norwegen ans Nordkap fährt oder von dort kommt, fährt über diese Brücke. Man kann sie nicht umfahren, weder mit einer Fähre noch auf einer anderen Strasse. Hier gibt es nur gerade diesen einen Weg von Nord nach Süd und umgekehrt. Wenn diese kleine Brücke gesperrt ist, ist der Norden und Süden von Norwegen nicht mehr mit Fahrzeugen verbunden!
Und weil diese Brücke so unscheinbar ist, hat sie doch genau für alle anderen unscheinbaren Bauwerken einen Ehrenplatz verdient. Denn alle grossen, edlen und geschwungenen Wasserüber- oder Unterquerungen kann man umfahren und werden tausendfach fotografiert. Die Storelvan silta nicht!
Wer von den Nordkap Fahrern kennt diese Brücke? Eben!
Dafür ist hier im hohen Norden wieder vieles anders. Was uns auffällt: die Wohnmobilfahrer grüssen wieder! Bei jedem entgegenkommenden Womo (und das sind viele, geschätzt 1/4 aller Verkehrsteilnehmer) wird gegrüsst oder grüssen zurück. Im Süden sind es vielleicht 10%, die grüssen.
der Schnee kommt dem Meer immer näher
Hatten die alle gutes Wetter am Nordkap und sind darum gut gelaunt? Und die, die gegen Norden fahren, sind voller Hoffnung darauf? Denn jeder, der es bis hierhin geschafft hat, will auch das Nordkap sehen. Viele andere Sehenswürdigkeiten gibt es nämlich nicht mehr (ausser grandioser Natur).
Wir sind heute genug gefahren und auf der E4 sehr gut vorwärts gekommen, gut ausgebaut, wenig Kurven, sind wir uns gar nicht mehr gewohnt. Der erste anvisierte Stellplatz gib es nicht mehr, der zweite ist voll und so landen wir auf dem Arctic Fjordcamp mit grandioser Sicht über den Kvænangen-Fjord. Das Wetter ist übrigens schon lange wieder besser und wir sehen zwischendurch den blauen Himmel.
Anita hat nun auch ihre neuen, warmen Socken mit Norweger-Wolle fertig. Genau richtig für den ganz hohen Norden und das Nordkap.
Alles im grünen Bereich und wir hatten recht, es wurde unser Tag, auch wenn wir zwischendurch gezweifelt haben.
Ach ja, ein Tipp an alle drehenden Sat-Schüssel-Womo-Besitzer: hier oben im Norden auf dem 69 Breitengrad gibt es keinen Sat-Empfang mehr. Der ist spätestens ab dem 64. Breitengrad nicht mehr möglich!
Sonnenauf- und Untergang: -
270km
8.5 l/100km
54 km/h
5:00 h Fahrzeit
12.6.2024 - Hallo Anita und Rolf Ich bin fleissiger Leser eures Blogs und freue mich immer auf die neuen Einträge, die uns auch als Inspiration für unsere Reisen dienen. Die Aussage, dass es im Hohen Norden ausser dem Nordkap nicht viele andere Sehenswürdigkeiten gäbe, kann ich aber nur schwer hinnehmen. Wir waren genau vor einem Jahr "dort oben" unterwegs und haben tolle Erlebnisse sammeln dürfen (z.B. Touristenroute RV889 Havoysund mit freiem Stehen bei den Windrädern der Arctic Wind Center, Wanderung zum richtigen Nordkap am Knivskjelodden, Fahrt nach Berlevåg mit Wanderung aufs Tanahorn, Ausflug zur Vogelinsel Hornøya, Mitternachtswanderung über die Halbinsel Ekkerøy, King-Crab-Safary in Bugøynes, etc. etc). Wenn aber das Nordkap als Highlight reicht, dann ist es wirklich nicht nötig, die anderen Gegenden anzufahren und zu belasten... ;-) LG, weiterhin viele schöne Erlebnisse sowie eine gute und unfallfreie Fahrt, Tinu
Tinu
12.6.2024 - Ja, Tinu, da bin ich bei dir - mit vielen !-Zeichen. Vor allem in deinen etc‘s gibt es noch jede Menge - ergibt aber auch ein „paar“ Mehrkilometer. Ich war jeweils auch froh, dass nicht alle Kapreisenden in die Finnmark fahren. Aber so wie ich Anita und Rolf kenne (leider nur aus ihrem Blog), wird es ihnen dort gut gefallen, die können ja Sonne und Regen.
Andreas
12.6.2024 - Hallo Tinu,
nicht falsch verstehen, mit Sehenswürdigkeiten meine ich Touristenaufläufe. Aber viele Punkte von deiner Aufzählung wollen wir anfahren, denn genau das fasziniert uns.... Wir haben eine ganze Woche eingeplant nur östlich und rund ums Nordkap ohne Kap selber... Her mit den etc. wir als Chaoten finden ja noch lange nicht alles, was man machen könnte. Aktuell suche ich grad eine Hurtigrutenfahrt von Meham nach Berlevag und zurück. Könnte genau aufgehen, ohne lange Wartezeiten, wenn dann die Schiffe pünktlich kommen
Rolf
12.6.2024 - Liebe Anita Pirkko, meine Frau, findet deine Norwegersocken einfach ausserordentlich originell! Ist es Wolle von norwegischen Schafen? Pirkko kaufte mal Wolle in Kirkenes und strickte damit auch Socken. Die Wolle war so fettig, dass die Füsse nach dem Tragen gleich eingecrémt waren. Die Hände zuvor ebenfalls - vom Stricken. Lieber Rolf, ein ähnliches Tunnelmanöver hatte ich in Tromsö auch. Nur war ich damals alleine unterwegs und konnte den „Aufgabenkatalog meiner Frau“ daher nicht um eine Position erweitern (:-)). Weiterhin viel Spass euch zwei. Nun naht ja Richtung Osten die Weite in Nordnorwegen. LG Pirkko&Andreas
Andreas
12.6.2024 - Hallo Pirkko, ja die Wolle ist aus der Hillesvåg Ullvarefabrikk AS nördlich von Bergen. Tipptopp. Aber jetzt habe ich einen Probeknäuel im norwegischen Spar gefunden, der sich super stricken lässt und extrem weich ist. Viking Garn, 90% Highland Merino Ulli, 10% Donegal
Muss unbedingt mehr davon kaufen...
Anita
13.6.2024 - Wir waren vor 10 Tagen auch in der Nordkap Gegend. Die Anzahl der Wohnmobile hat auch mich überrascht. Wir waren auch vor drei Jahren vor Ort und damals hatte es - wegen Corona - wenige Wohnmobile. Wir haben damals ohne einmal eine Fähre zu benutzen das Nordkap erreicht. Fähren bedeuten für mich immer Stress. Alles muss auf die Abfahrtszeit ausgerichtet sein. Das will ich nicht. Aber jeder so wie er es mag. Ich wünsche euch noch viele tolle Erlebnisse.
Paul