Headbild
Camping Agdz Marokko 2018
Sie befinden sich: Blog \ Reisebericht

71 Grad 10 Minuten 21 Sekunden Nord

Ernüchterung und Zufriedenheit

Nach dem täglichen Studium der Wetterkarte heute Morgen studieren wir auch die Strassenkarte. Planänderung: es sind noch 313km bis ans Nordkap und heute 2. Hälfte Nachmittag und in der Nacht ist dort ziemlich schönes Wetter angesagt. Danach mindestens bis Sonntag Nebel und bewölkt. Also düsen wir los. Auf der E6 kommen wir schnell und ohne Stress vorwärts, das Wetter immer besser und erstaunlich wenig Verkehr. Bis Alta (60km) haben wir nie ein Auto vor oder hinter uns, nur ein paar die entgegenkommen. In Alta tanken wir, essen ein Soft-Ice zum Frühstück und cruisen weiter. Danach geht es durch die nördliche Hochebene, eine meiner 99 Lieblingsgegenden in Norwegen. Wir durchqueren sie nun zum dritten Mal und es ist eine Gegend, die mir von den zwei vorangegangen Fahrten sehr gut in Erinnerung geblieben ist. Geradeaus, ausser Natur rechts und links nicht viel. Ich könnte schreien vor Glück, auch weil das Wetter inzwischen richtig sonnig ist. Es ist ein Traum.

einfach nur schön

Danach rechts, dann links, wir lassen Hammerfest aus, im Sommer lohnt sich diese Stadt nicht wirklich, und dann sind wir wieder am Porsangerfjord, rechts das blaue Meerwasser, links die Hügel mit einigen Schneefeldern. Blauer Himmel.

Inzwischen fährt Anita und ich mache die Fotos. Dann kommt der Nordkaptunnel, zuerst steil bergab bis über 200m unter dem Meeresspiegel und dann wieder steil bergauf und nach 7km sind wir wieder an der Sonne. Je nördlicher die Strasse über das Meer sollte, desto lieber bauen die Norweger Tunnel statt Brücken. Vorteil: die können auch im Hochwinter gebaut und müssen später nicht von Eis und Schnee befreit werden.

In Honningsvåg liegt ein grosses Kreuzfahrtschiff im Hafen, dann wird es also viel Betreib am Nordkap haben. Interessiert uns nicht, wir können ja warten, bis die Busse nach spätestens zwei Stunden wieder weg sind. Dann die Strasse zum Nordkap, hier fühlen wir uns irgendwie wie zu Hause. Wir haben die nun im Sommer und Winter schon gefahren und jedesmal sind wir absolut fasziniert. Es ist einfach unsere Gegend. Aber wir staunen auch hier, hin und wieder mal ein Auto oder ein Womo, das uns entgegenkommt, in unserer Fahrtrichtung nichts.

ständige Begleiter heute: Rentiere

Und dann typisch: je näher wir dem Nordkapp kommen, desto dichter werden die Wolken und erster Nebel zieht auf. Wir werden aber nicht nervös, das Wetterapp zeigt erst ab 18 Uhr erste Sonnenstrahlen.

Als wir auf den Parkplatz einbiegen, sind wir dann schon etwas überrascht, obwohl wir damit gerechnet haben: es stehen sicher 100 Womos hier. Wir machen eine Parkplatzrunde und sehen grad ein Womo, das sich abfahrbereit macht. Also schnell hin, diesen Platz nehmen wir, die Frontscheibe Richtung Mitternachtssonne, wenn sie denn kommt.

Wir haben 3.4 Grad, kalter Wind, aber auch damit haben wir gerechnet. Warm anziehen, zuerst zur Kugel mal ein Probefoto schiessen und dann in die Nordkapp-Halle, wo absolut tote Hose ist. Wo sind all diese Leute?

wie in Alaska

Es macht sich etwas Ernüchterung breit: im Restaurant ausser Sandwiches und Tomatensuppe nichts essbares, keine wirkliche Stimmung, komisch. Auch begreife ich die Preispolitik des Nordkaps nicht, jetzt ist der Parkplatz kostenlos und dafür muss man Eintritt in die Nordkaphallen bezahlen. Und mit fast 30 CHF pro Person auch nicht wenig. Bezahlen, damit man ins Restaurant und in den Souvenirshop darf? Eigenartig. Das war doch früher viel besser, da bezahlte jede Person, die auf den Parkplatz kam, ca. 16 CHF und in den Restaurants und Souvenirshops hatte es dafür mehr Leute. Ich bin sicher, sie haben damit mehr eingenommen wie jetzt. Für uns ist es eigentlich egal, da wir Mitglied im Nordkap-Club sind, haben wir lebenslang kostenlosen Eintritt und dies für einen einmaligen Mitgliederbeitrag von 20.- Das klappt auch dieses Jahr problemlos, Mitgliederkarte vorweisen und schon haben wir den Eintritt gespart.

Meine Stimmung ist irgendwie gar nicht auf dem Höhepunkt. Warum weiss ich eigentlich nicht.

Etwas später kommt dann tatsächlich die Sonne und je mehr Strahlen mein Gemüht erwärmen, desto besser geht es mir. Wir laufen zur Kugel, machen Fotos für andere, lassen Fotos für uns machen. Es ist irgendwie doch toll, jeder nimmt Rücksicht auf den andern, wartet, bis die Kugel frei ist und dann gibt man einem Fremden seinen Fotoapparat, der dann mit uns drauf Fotos macht und danach tauscht man die Rolle. Keine Hektik, man kommt ins Gespräch, alle sind friedlich und glücklich. Diejenigen, die mit dem Fahrrad den ganzen Weg in den Norden zurückgelegt haben, sind etwas glücklicher und müssen auch keinen Eintritt bezahlen, Töfffahrer, die ihr Motorrad auf das Foto nehmen und Hundebsitzer Fotos mit Hund vor der Kugel machen.

Wir sind glücklich und noch glücklicher, als Anita mal wieder eine Jacke kauft (und ich einen Pullover, der aber nötig ist, da es saukalt ist und ich zu wenige warme Oberteile auf die Reise mitnahm).

Einkaufen am Nordkap

Allerdings müssen wir schon sagen, das Feeling wie beim ersten Mal an der Kugel zu stehen, stellt sich bei uns nicht ein. Auch nicht das Feeling, es im Winter geschafft zu haben. Aber schön ist es trotzdem.

Das Nordkap ist übrigens weltweit der nördlichste Punkt, den wir mit unserem Wohnmobil auf normalen Strassen erreichen können.

Vielleicht ist es aber auch einfach so, dass das Nordkap nicht unser grösstes Ziel auf dieser Reise ist und auch nicht der Wendepunkt. Denn wir wollen nun noch mindestens eine Woche hier ganz oben im Norden die Finnmark erkunden bis an die östliche Grenze zu Russland. Es gibt hier so viele kleine Strassen, grosse Fjorde, Tiere und abgelegene Gegenden, die wir unbedingt für uns entdecken wollen abseits des Touristenhotspots Nordkap. Wanderungen, Vogelinseln, etc. etc. steht alles noch auf dem Programm.

Wir freuen uns. Wir freuen uns auch auf die Mitternachtssonne hier am Kapp. Auch wenn momentan etwas Nebel aufzieht. Aber so wie wir Glückskinder sind, so wird Punkt Mitternacht der Nebel wieder verschwinden.

Es ist einfach schön!

Sonnenauf- und Untergang: -

317km
4:53h Fahrzeit
64km/h
10.1 l/100km

Externe Links

Übernachtung

Nordkapp - Nordkapp***
Parkplatz

keine Ent- und Versorgungsmöglichkeit

Koordinaten: 71.1687,25.7819
N 71° 10' 7.3"  E 25° 46' 54.8"
letzter Besuch: 6.2014

13.6.2024 - Liebe Anita, lieber Rolf Noch kleiner Nachtrag mit einem gewissen Schmunzeln zu „deiner“ Storelvan silta: Schmunzeln, weil ihr ja nicht das erste Mal in der Gegend gewesen seid und daher wisst, dass man das Nordkap auch ohne dieses Brücklein erreicht, sogar schneller. Wenn ihr dann vom Nordkapp kommt und Richtung Kirkenes wollt, fahre dann bei Olderfjord nicht wieder zu „deiner“ Brücke, sondern gerade runter, mit vielleicht einem Besuch der Trolle unterwegs, via Lakselv und weiter via Ifjord oder südlich via Karasjok und dann dem Tana Fluss entlang (links oder rechtsufrig spielt keine grosse Rolle) bis Tana bru. Hier könnt ihr immer noch wählen, ob zuerst Kirkenes und Grense Jakobselv und nachher Varanger Halbinsel bis Hamningberg oder umgekehrt. Mehamn, Berlevåg usw sind ja dann in der Nähe und die jeweilige Fahrt an die Orte war für mich/uns DAS lohnenswerte. Und dann war es halt auch für mich schon so; das zweite Mal z.B. in Mehamn, Hamningberg oder Grense Jakobselv war eben nicht gleich wie beim ersten Mal obwohl es beim zweiten Mal besser Wetter und ich nicht alleine auf Reise war. Gute Fahrt wünschen wir, in einer Gegend unserer Favoriten in Europa!

Andreas

14.6.2024 - Hallo Andreas, das mit der Storelvan silta bezieht sich auf Norwegen ;-) ohne andere Länder durchfahren zu müssen ;-) Danke für deine Tipps, wir sind grad an der Planung der Weiterfahrt...
Rolf


Diesen Artikel kommentieren oder Fragen dazu stellen