Wieder unter Menschen und schon haben wir einen Teppich gekauft.
Der Weg ist das Ziel
Nach einer ruhigen einsamen Nacht erhalten wir am Morgen von zwei Soldaten Besuch. Sie sahen uns von der Strasse, drehten und fuhren direkt zu uns. Natürlich sahen wir sie kommen und mein Puls erhöhte sich rasant, nun ist eine List gefragt. Eigentlich ist frei Übernachten in Marokko nicht erlaubt, das Militär und die Polizei haben Angst, dass wenn einem Touristen etwas passiert, keine Touristen mehr ins Land kommen. Was sollen wir machen, wollen die uns jetzt verhaften? Das Auto hält neben uns, ich packe sofort meine Landkarte, trete aus dem Womo und gehe auf die beiden Soldaten zu. Sie grüssen freundlich, ich natürlich oberfreundlich zurück und frage sofort, ob sie mir eventuell eine Auskunft geben könnten. Auf der Landkarte frage ich nach einer Strasse, ob das eine Piste ist oder asphaltiert. Die zwei beginnen zu diskutieren, drehen die Karte mal links dann rechts und kommen danach zum Schluss, dass dies eine Piste sei. «Ok, dann können wir die nicht fahren, wir wollen auf der asphaltierte Strasse bleiben» entgegne ich den beiden. Sie scheinen irgendwie erleichtert zu sein und fragen dann, ob wir hier übernachtet haben und wohin wir noch wollen. Ist das jetzt eine Fangfrage? Ich bleibe bei der Wahrheit und zeige ihnen auf der Karte unsere Route. Die beiden wünschen uns freundlich eine gute Weiterfahrt, drehen ihr Fahrzeug und verschwinden wieder.
Komisch, irgendwie habe ich nun schon zum dritten Mal das Gefühl, dass die Einheimischen jedes Mal erleichtert sind, wenn wir sagen, dass wir nicht nach Marakkesch wollen, sondern weiter südlich. Auch weiss ich nicht so recht, was dieser Besuch für einen Sinn hatte. Egal, wir packen zusammen und beginnen unsere Tagesetappe.
In Talsinnt nehmen wir nun nicht die Strasse Richtung Süden, da die nach Infos der Soldaten später in eine Piste wechselt. Und die geschotterten Pisten wollen wir mit unserem Knutschi eigentlich meiden, denn wir haben ja kein Ersatzrad dabei. Also folgen wir der Strasse weiter durch die fantastische Hochebene mit der schmalen Strasse ohne Verkehr. Irgendwann nach einem ganzen Stück sehen wir plötzlich links eine asphaltierte Strasse wegführen. Wir fahren aber etwa einen KM weiter, halten dann und schauen auf der Karte, wo diese Strasse hinführt. Es wäre genau unsere gewünschte Richtung aber auf der Karte ist die Strasse so klein eingezeichnet, dass es bestimmt nicht alsphaltiert ist. Aber wir wollen sie dennoch versuchen, würden wir doch etwa 70km Weg sparen und umdrehen können wir immer noch. Zuerst müssen wir aber mal hier auf der Strasse wenden…
Wendemanöver auf der Hauptstrasse
Die kleine Strasse ist durchgehend asphaltiert, war früher aber bestimmt eine Offroadstrecke. Insgesamt drei Gruppen mit Motogrossfahrer und Jeep-Möchtegern-Offroader kommen uns auf den nächsten 50km entgegen. Ha, denen vermiesen wir wahrscheinlich ihre Ego-Tripp-Bluff-Tour in Marokko. Zu Hause erzählen sie, was für gefährliche geile Offroadpisten sie abgefahren sind und im Hintergrund auf dem Foto steht unser Knutschi…
Der Weg ist das Ziel
Während der Fahrt entscheiden wir, dass unser Tagesziel die Stadt Midelt ist, einem Zentrum für Offroadfreacks, die den Cirque de Jaffar erklimmen wollen. Das liegt aber mit unserem Knutschi echt nicht drin. Aber in einem Bericht darüber meinte ich gelesen zu haben, dass Midelt einen Campingplatz hat. So fahren wir aufs geratewohl in die Stadt, schliesslich wollen wir noch einkaufen. Schnell sehen wir auch ein Schild mit Municipal Camping und keine fünf Minuten später haben wir auf dem menschenleeren Campingplatz Stellung bezogen. Irgendwie fühlt es sich so sicher und heimelig an, an einem Ort in der Stadt, wo man sicher übernachten kann.
Etwas später kommt dann der Campingplatz Chef mit einem Begrüssungstee und den Formularen. Er plaudert und spricht recht gut Französisch. Wir fragen ihn, ob man hier irgendwo eine Tajine kaufen kann. Klar doch, und was wir sonst noch brauchen. Wir sollen hier warten, er schicke grad einen alten Berber von den Bergen vorbei, der könne alles organisieren.
Kurze Zeit später kommt ein kleines, altes Männchen zu uns, setzt sich und beginnt zu erzählen. Ich gebe jetzt einfach wieder, was ich verstanden habe oder gemeint habe, zu verstehen. Ich weiss auch nicht, was alles Verkaufslatain ist und was echt.
Er ist ein alter Berber aus den Bergen, der gestern eine Tagesreise hergereist ist. Hier auf dem Campingplatz bekomme er jeweils ein Zimmer, wo er schlafen kann. Dann sei er heute Morgen auf den Markt um seine Berberware zu verkaufen, heute schlafe er nochmals hier und reise morgen wieder einen Tag nach Hause. Er habe zwei grosse Kinder und drei Kleine in den Bergen.
Ob wir Lust haben, seine Berberware anzuschauen. Klar haben wir, obwohl wir genau wissen, dass das für uns der Entscheid ist, etwas zu kaufen. Er bittet uns in sein Schlafzimmer auf dem Campingplatz und beginnt ein paar Teppiche auszurollen und erklärt bei jedem, aus was für Material er ist, was die Zeichen darauf bedeuten. Es sind echt schöne Teppiche, fein gewoben in verschiedensten Techniken. Jetzt ganz ehrlich, wir wollten echt einen feinen, relativ grossen Teppich für unser Womo, den wir auch als Schlafdecke oder als Picknickdecke verwenden können. Das soll jetzt nicht als Ausrede gelten, wollten wir echt, wirklich. Wir lesen einen wirklich schönen Teppich aus, aus echter Wolle von lebendigen Schafen, mit Zeichen der Berber die einen beschützen, wo jeder Berber mindestens einen im Zelt haben muss. Der Teppich hat eine Frau vier Monate gewoben. Diese Berberfrauen weben höchstens zwei Teppiche pro Jahr, denn für mehr haben sie keine Zeit, neben den normalen Hausarbeiten, usw usw.
Dann erklärt uns Asaul, so heisst der alte Berber, dass er nun einen Preis auf einen Zettel schreibt, wir unseren Preis darunter, was er uns wert ist und dann wird die Mitte genommen. So mache man dies unter echten Berbern.
Sein Preis auf dem Zettel 2850 Dhm, etwa 285 CHF, wir schreiben 1800 drauf und bezahlen danach 2300 Dhm. Ganz ehrlich, das finden wir einen fairen Preis. Letztes Jahr haben wir für zwei Teppiche bei einem Händler ungefähr 600 CHF bezahlt und jene waren ein Stück kleiner. Und echt, ich glaube Asaul fast alles, was er uns erzählt hat.
Danach fragt er uns, ob wir eine alte Kasbah besichtigen wollen, die über 800 Jahre alt ist und rund 300 Menschen drin wohnen. Klar wollen wir, aber wir haben keine Ahnung, was eine Kasbah eigentlich ist (Wikipedia: durch Mauern abgegrenzte und früher hier stationierten Militäreinheiten bewachte Burg- oder Festungsanlage oberhalb oder innerhalb der Altstadt). Also laufen wir mit Asaul los. Unterwegs kauft er Anita noch eine Wasserflasche, denn schliesslich ist der Weg das Ziel. Irgendwann biegen wir in diese Kasbah ab, und es ist nicht respektlos gemeint, aber bei uns leben die Kühe komfortabler wie hier diese Menschen. Es geht durch Tunnels unter Mauern hindurch, zwischen schmalen, dreckigen Gassen bergwärts in Hinterhöfe, wo Menschen lachen und Wäsche aufhängen. Und voller Stolz erzählt unser Fremdenführer, wie die Leute hier leben und Feste feiern, aber beim letzten Regen sei dort eine Mauer zusammengestürzt, darum sehe es nicht so aufgeräumt aus.
in der Kasbah von Midelt unterwegs
Es war eindrücklich, so etwas zu sehen, auch wenn wir froh waren, als wir wieder draussen waren. Asaul redet mit den Frauen auf der Strasse, stellt sie uns vor und unser Spaziergang wird immer länger. Der Weg ist das Ziel. Irgendwann stehen wir etwas oberhalb der gesamten Stadt und er sagt, wir sollen doch Fotos machen. Ist doch herrlich, diese Aussicht! Wir enttäuschen ihn nicht und finden es ebenfalls herrlich, auch wenn heute jeder Ausblick auf unserer Fahrt schöner war.
Nach über eineinhalb Stunden sind wir dann ziemlich erledigt auf dem Campingplatz zurück, wo uns grad das bestellte Nachtessen (natürlich Tajine) im Womo serviert wird.
Das Abendessen im Womo serviert
War das wieder ein Tag!
5.11.2018 - Hoi Zäme - Das war ja ein erlebnisreicher Tag. - Amüsiert hat mich der schöne Teppich aus Wolle von lebendigen Schafen. - Dann passt mal auf, dass der euch nicht wegläuft. - Oder färbt das „Berberlatein“ schon auf euch ab? - Hebbit Sorg! - Liebe Grüsse -