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Finnland Supru 2014
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Teppichkauf in Tafraoute

Wir wollten ein Brot und kamen mit zwei Berberteppichen zurück

2/3 der Anwesenden sind zufrieden

Als wir mit dem Womo ins Städtchen Tafraoute fahren (Vorteil Nr. 1 des Teppichhändlers: er sieht die Touristen kommen), hatten wir nicht die Idee, einen oder sogar zwei Teppiche zu kaufen. Klar, Tafraoute ist das Zentrum von Lederschuhen und der Berberteppiche und auch ein bisschen Touristenort. Die Leute sind freundlich und grüssen einem mit blauem Turban und langem blauen Kleid schon an der Kreuzung: „Ah, aus Sant Gallen!“. Es wäre besser gewesen, freundlich zu lächeln und weiter zu fahren. Aber so nehmen wir den Tipp des freundlichen Herren an: „da vorne schöner Campingplatz, auf ander sind Franzosen mit viel Lärm“ (Vorteil Nr.2 des Händlers: er weiss jetzt schon, auf welchem Campingplatz wir sind).

Nach dem einchecken kommt per Zufall der gleiche Mann auf dem Campingplatz vorbei: „Ah schön hier, du gehst in die Stadt, nur funf Minuten mit Füsse“. Dann darf man nicht sagen: „ja, wir gehen etwas später“.

Als wir dann etwas später wirklich noch in die Stadt laufen, schliesslich brauchen wir noch Brot, steht der blau bekleidete Thuareg natürlich wieder an der Hauptstrasse, lächelt und fragt, was wir suchen. Schon wieder verloren, da kann man antworten, was man will. Bei uns auf dem Weg zum Bäcker liegt natürlich gerade ein einheimisches Berber-Geschäft, „das in deutsche Reiseführer empfiehlt werden, mit Schmuck und Handwerkssachen“. Jetzt darf die holde Kunigunde ja nicht lächeln, Augenbrauen hoch ziehen und nachfragen: „Schmuck?“ Und schon ist man zu dritt auf Umwegen zum Geschäft. Die Konkurrenz darf nicht mitkriegen, dass man einen eventuellen Kunden an der Angel hat und diesen auch nicht an anderen Geschäften vorbeiführen, schliesslich muss er das Gefühl haben, ins einzig echte Berbergeschäft geführt zu werden.

Ist man im Geschäft, kann man sich getrost ungestört umsehen. Wahrscheinlich wird in der Zwischenzeit die Betreibungsurkunde, der Lohnausweis und die letzte Kreditkartenabrechnung aus der Heimat vom Händler gecheckt. Nach ein paar Minuten kommt dann Mohamed, der Chef, und führt uns in einen Raum für nur ganz spezielle Kunden. Er zeigt uns die ausgestellten Teppiche, erzählt etwas von Tradition, von alten Berberfrauen in den Bergen, und dass sie gerne knüpfen, da sie sonst nicht wissen, was machen. Wir müssen auch nichts kaufen, nur schauen, weil sie so stolz auf ihre Teppiche sind. Die Holde Kunigunde darf da gar nie auch nur das kleinste bisschen Interesse zeigen, auch nicht sagen, „das ist schön“ oder „der ist schöner wie der andere Teppich“ (Vorteil 3: der Händler merkt, wem was gefällt).

2/3 der Anwesenden beim Plaudern

Denn dann kommt sofort: „Sind sie von hier? Sie sehen aus wie eine echte Berberin, so hübsch.“ Die Holde Kunigunde merkt diese Süssholzraspelei erst Stunden später… Schaut sie sich dann zum zweiten Mal den gleichen Teppich an: „Schauen sie, absolut Top-Qualität, auf beiden Seiten verwendbar, das gibt es nur beim Stamm der …. (Name ist mir entfallen, war mir auch ziemlich egal). Man merkt, dass sie Augen für Qualität und Schönheit haben“ (Süssholzraspeln zum Zweiten und wieder merkt meine Holde nix). „Wie gross ist denn ihre Wohnung?“ Und meine Holde plappert und plappert und alle meine Bemerkungen und Einwände, passt nicht, ich will keinen Teppich an den Wände, wir brauchen doch keinen, werden von allen Anwesenden gekonnt ignoriert. Meine Holde fängt Feuer und plötzlich der Ausspruch: „ich wollte schon immer so einen Teppich, aber bei uns sind sie viel zu teuer!“ Äh, jetzt bin ich schon 13 Jahre mit ihr zusammen und noch nie, gar nie, hat sie erwähnt, dass sie einen Berberteppich will.

2/3 der Anwesenden beim Teekränzchen

Das ist das Stichwort von Mohamed: „es gibt ein altes Sprichwort der Berber, übersetzt etwa: ist meine Frau glücklich, ist der Mann auch glücklich!“ Da gibt es einfach keine Gegenargumente mehr.

Die nächsten 30 Minuten kürze ich jetzt raus und komme zum entscheidenden Punkt: „Was kosten die beiden Teppiche, wenn wir beide nehmen?“ „Wissen sie, dieser ist einmalige Qualität, Naturprodukt und das haben sie ein Leben lang, sogar ihre Kinder werden diese Teppiche haben. Sowas kaufen sie nur einmal im Leben“ und meine Holde nickt und ich könnte zur Decke hochspringen. Im Kopf rechne ich schon mal durch, was ich dafür eigentlich bezahlen würde. 1000 CHF auf keinen Fall, aber wenn ich nur daran denke, was unser Teppich im Keller gekostet hat!! Und der einfache unter dem Esstisch, nix spezielles, haben wir 600CHF bezahlt. Und eigentlich hat er ja recht, sowas kauft man nur einmal im Leben (ich hasse mich für diesen Gedanken).

„Wenn sie beide nehmen, einer 4500Dh der andere 3000Dh, zusammen nur 7500 Dh“ (750CHF) höre ich den Händler sagen. Die Augen der Holde dürfen jetzt auf KEINEN Fall leuchten! Ich wende aber schnell ein: “wenn der für 4500 auf beiden Seiten gebraucht werden kann und der andere nur auf einer Seite, darf der einseitige aber nur die Hälfte des anderen kosten!“ Der Händler schaut mich etwas entgeistert an und weiss nicht so recht, was er da sagen sollte (der erste und einzige Punkt für mich). „Du bist sicher Händler, so hart wie du verhandelst“ sagt er zu mir (Süssholzraspeln zu mir und ich merke es auch erst Stunden später).

Schlussendlich einigen wir uns bei 6500Dh für beide, meine Holde ist glücklich und ich verhandle noch nach, dass er mir die Teppiche zum Womo liefert, damit ich sie nicht selber tragen muss.

Irgendwie habe ich aber dennoch das Gefühl, dass ich auch mit 5000Dh noch zuviel gezahlt hätte. Aber so gut habe ich eben nicht verhandelt, hätte ich aber müssen, also viel zu hoch begonnen.

Aber solche Teppiche sind fürs Leben und die kauft man eben nur einmal.

3.12.2018 - Hihi, ich musste so schmunzeln, nicht aus Schadenfreude, sondern weil ich mich in Deiner holden Frau direkt wiedererkannt habe ;-)...bin gerade auch dabei, den 2 Artikel zu schreiben über unsere letzte Marokkoreise, auf der uns original dasselbe passiert ist...natürlich in Tafraoute, aber in einem anderen »speziellen Berbergeschäft«. Und wir hatten mindestens genauso viel Spass wie ihr dabei! Und nennen jetzt auch einen Berberteppich unser eigen, den wir eigentlich auch überhaupt nicht brauchen. Aber er erinnert uns an unvergleichliche Momente mit den marokkanischen Berbern. Toller Artikel, trifft's im Kern! LG aus dem Appenzellerland

- Petra


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