Wir haben etwas gemischte Gefühle, sind aber trotzdem froh, hier gewesen zu sein.
Aït-Ben-Haddou
Unser heutiges Tagesziel ist Aït-Ben-Haddou, die wohl bekannteste Kasbah in Marokko. In dieser alten Lehmfestung sind schon Filme wie Jesus von Nazaret, Gladiator oder die Serie Game of Thrones gedreht worden. Eigentlich kommt fast kein Wüstenfilm an dieser Stadt vorbei, um nicht wenigstens ein paar Szenen hier gedreht zu haben. Da ist es natürlich auch klar, dass es hier von Touristen wimmeln wird.
Aber zuerst müssen wir durch die Berge Richtung Norden fahren. Und was für eine Fahrt das wird! Am Horizont der frisch verschneite Hohe Atlas, darüber der strahlend blaue Himmel und im Vordergrund die roten, staubtrockenen Hügel Marokkos. Wir können uns wieder fast nicht satt sehen, machen viele Fotostopps und sind mit uns rundherum glücklich. Der heutige Tag hat sich schon gelohnt, bevor wir unser Ziel erreichen. In jeder von uns durchfahrene Stadt sehen wir schon eine Kasbah, die sich lohnt, zu fotografieren. Was soll denn in Aït-Ben-Haddou noch schöner sein?
Schon nach knapp zwei Stunden Fahrt stehen wir bei der Ortstafel und machen schon mal die ersten Fotos von weitem. Es sieht schon echt toll aus und wir begreifen, warum hier so viele Filme gedreht wurden.
Eine paar hundert Meter weiter sehen wir die ersten Busse aus Marakkesch mit den Touristen, Parkplatzeinweiser die den Verkehr regeln und beim Campingplatz weisst uns der Chef des Platzes direkt in seine Einfahrt. Endlich hat er wieder einen Kunden…
Der Platz ist gut gelegen und eigentlich ganz schön gemacht, inklusive Sanitärgebäuden und Entsorgungsmöglichkeit. Es ist sogar ein kleines Restaurant angegliedert, Poulet-Tajine für 50 Dhm (5 €) und Übernachtung im Womo auch 50 Dhm, also die Preise sehr moderat.
Wir schnappen die Fotoapparate und ziehen los Richtung Kasbah. Ich habe mich darauf eingestellt, dass wir überall von Führer angequatscht werden, die uns diese alte Lehmstadt zeigen wollen. Aber nichts dergleichen passiert. Wir können seelenruhig losspazieren, kein Mensch interessiert sich für uns. Die «Fremdenverkehrsführer» warten lieber auf die grossen und kleinen Busse aus Marakkesch, wo sie eine ganze Gruppe reicher Touristen führen können.
So kommen wir unbehelligt über die Brücke zum Eingang in die Altstadt. In der Kasbah viele Touristenläden mit Souvenirs, Teppichen, Silberschmuck und all dem Zeug, das wir alles schon längst kennen. Hin und wieder versucht uns ein Händler seinen Laden schmackhaft zu machen, aber absolut human und wir fühlen uns echt total unbedrängt. Die Kasbah selber reisst uns aber nicht vom Hocker, es ist alles etwas steril und mit diesen Souvenirshops kann man es sich irgendwie gar nicht so gut vorstellen, wie es hier mal wirklich war. Da haben uns die Besichtigungen von Midelt und Tamegroute wesentlich besser gefallen, diese waren viel authentischer.
Als wir wieder gegen den Ausgang zu schlendern, sehen wir ein Schild für die Besichtigung zweier Wohnhäuser, 10 Dhm pro Person (1€). Klar machen wir das und das lohnte sich wirklich. Das fanden wir zwei das Beste der gesamten Stadt. Die Stadt kann man gratis besichtigen, diese zwei Wohnhäuser kosten als einziges diesen kleinen Eintritt und keiner, aber gar keiner der Touristen war dort anzutreffen, wir waren ganz alleine und heute die ersten!
Danach spazierten wir Richtung Aussichtshügel, von wo man perfekte Fotos von der Stadt machen kann. Auch dort am Fusse hat es einen Souvenirshop mit Tonwaren, Tajinen, Tücher. Das Spezielle an diesem Shop: die Preise der Waren sind angeschrieben und man braucht überhaupt nicht zu handeln. Wir dachten ja, dass wir die Preise nun etwas kennen in Marokko, aber wir sind verblüfft, es ist unheimlich günstig hier. Ein Turbantuch kostet 3.50€ eine blau gebrannte grosse Früchteplatte, wo sie uns in der Töpferei in Tamegroute 37€ abknöpfen wollten (und wir den Preis bezahlt hätten, hätten wir eine gebraucht) kostet hier nur 17€. Jetzt mal echt: liessen wir uns in den zwei Jahren in Marokko immer übers Ohr hauen? Und hier in diesem Touristenort werden es ja sicher nicht die günstigsten Preise sein! Das Handeln beherrschen sie anscheinend in ganz Marokko...
Na egal, Anita ist glücklich, sie kann hier auslesen, was sie will, so günstig komme ich sonst nirgends weg, also besser hier kaufen wie an einem andern Ort. Wir müssen aber mit bezahlen noch ein paar Minuten warten, es ist grad das Nachmittagsgebet im Gange und der Ladenbesitzer betet im Laden auf einem Teppich Richtung Osten…
Zurück geht es dann vollgepackt direkt über den Fluss. Der Asif Ounila führt nur im Herbst und im Frühling etwas Wasser und da haben die Dorfbewohner nun in Schrittweite jeweils einen Sandsack ins Wasser gelegt, auf dem man nun den Fluss überqueren kann. Die Kinder vom Dorf waten danach im Wasser parallel zu dieser Brücke, halten die Touristen an den Händen und erwarten auf der anderen Seite dann ein paar Dirham. Auch ein Geschäft. Wir verzichten auf die Hilfe und schaffen es ganz alleine und gratis!
Nachtrag: wir haben inzwischen rausgefunden, dass die Tücher für 35 Dhm hier nicht genau die gleiche Qualität wie die andernorts für 90 Dhm gekauften. Die Preise für ein absolutes Touristenort also sehr, sehr niedrig.
Und ja, auch hier wissen sie noch nicht, welche Zeit es ist. Wir wechseln jetzt mindestens alle zwei Tage die Uhr eine Stunde zurück oder wieder vor. An jedem Ort haben sie eine andere Uhrzeit, je nach Handy. Die mit den Modernen Handys, wo die Uhrzeit selber umstellt, sind eine Stunde zurück, die mit den uralt-Handys sind eine Stunde früher dran. Es stört niemanden und interessiert auch niemanden.