und tief im Eurotunnel
auf der Spitze bei Regen und Wind
Um 8 Uhr ist heute Verabschiedung von Ella und ihrer Familie. Wir ziehen weiter. Da wir den Zug um 12:46 Uhr im Eurotunnel gebucht haben und rund 250km bis nach Folkstone haben, bauen wir etwas Reserve ein. Man weiss nie, wie der Verkehr im Grossraum London läuft.
Wir kommen aber überall ohne grössere Probleme durch, erwischen auch alle Ausfahrten richtig und kommen so überpünktlich auf dem englischen Check-In-Terminal an. Das läuft wie immer problemlos, da wir die Tickets und alle Angaben online gemacht haben. Beim Terminal wird unsere Autonummer automatisch eingelesen und schon erscheint auf dem dortigen Bildschirm die Begrüssung von Mr. und Mrs. Järmann. Wir müssen auf dem Bildschirm bestätigen, dass wir beide anwesend sind, keine Haustiere dabei haben und den Zug um 12:46 Uhr nehmen wollen. Manchmal gibt es da mehrere Auswahlmöglichkeiten, vor allem, wenn man zu früh dran ist und es noch Platz auf einem früheren Zug hat. Heute allerdings nicht, es ist ziemlich ausgebucht. Danach durch die Passkontrolle, dann durch den Zoll, wo auch überprüft wird, ob wir die Gasflaschen geschlossen haben und schon sind wir auf der «Line 14» das dritte Fahrzeug. Auf dem Bildschirm vorne erscheint, das Boarding des Zuges beginnt um 12:20 Uhr.
Irgendwann kommt eine Verspätungsmeldung, die links und rechts von uns dürfen fahren, und wir stehen um 13:10 Uhr immer noch hier. Etwas grummelig, aber die anderen Chauffeure der anderen Fahrzeuge regen sich noch mehr auf. Irgendwann erscheint nämlich die Meldung, dass für den 12:46 Uhr Zug das Boarding komplett ist und wir stehen immer noch hier.
Dann endlich, eine Stunde zu spät fahren wir dann endlich in den Zug ein. Wir haben unsere Boardingkarte auf den Zug R3, neben uns stehen nun aber schon die Boardingkarten U. Dabei liegen dazwischen die S und T. Hatten die uns auf der Linie 14 vergessen? Wir werden es nie erfahren.
Auf alle Fälle müssen wir durch den gesamten Zug fahren bis in den vordersten Wagen. Danach werden die Wagen verriegelt und geschlossen und der Zug setzt sich etwas später in Bewegung. Die Strecke ist knapp über 50km lang, wovon 38km unter Wasser. Die Fahrzeit beträgt nur 35 Minuten, zuerst alles runter bis zum tiefsten Punk (nur 75m unter dem Meerespiegel) und danach wieder berghoch aufs französische Festland.
Der Tunnel besteht aus drei Röhren, zwei für die Züge in je eine Richtung plus einen Service-Tunnel. Es gibt auch extra eine eigene Feuerwehr. Das wäre mal der Traumberuf hier Feuerwehrmann! Die Feuerwehr musste seit der Eröffnung 1994 5x ausrücken zu grösseren Bränden oder Rauchentwicklung. Also mussten die Feuerwehrleute alle 6 Jahren mal arbeiten… Ach ja, die Tunnelbauer hatten eine Differenz von 36cm beim Zusammentreffen der englischen und französischen Seite, also nur 7mm Abweichung pro Kilometer und das ohne GPS im Tunnel drinnen. (NEAT 2mm, war aber auch 20 Jahre später).
Wir kommen dann mit einem Verlust von zwei Stunden (eine wegen Verspätung, eine wegen der Zeitumstellung) in Frankreich an und fahren darum nur noch rund 80km bis Haillicourt. So stoppen wir an einem kleinen, schönen Parkplatz neben den terrils jumeaux. Für alle, die mit dem Begriff nichts anfangen können: Das sind keine Berge, die die Natur über Jahrtausende geschaffen hat, sondern künstliche Hügel aus der Zeit des Kohlebergbaus. Und glaubt mir, sie haben es in sich! Die Terrils Jumeaux – die „Zwillingsterrils“ – ragen wie zwei schwarze Kegel in den Himmel. Wir staunen nicht schlecht, als wir unten auf dem Parkplatz stehen und die beiden Kolosse vor uns sehen.
Entstanden sind sie in den 1960er Jahren, als man hier fleissig Kohle förderte. Alles, was nicht verwertbar war – Gestein, Schlacke, Kohlereste – landete auf den Halden. So wuchsen die Zwillinge Stück für Stück in den Himmel. Heute erinnert nichts mehr an eine „Abfallhalde“. Stattdessen hat sich hier ein einzigartiges Ökosystem entwickelt. «Zwischen schwarzem Gestein wachsen Blumen, Sträucher und sogar seltene Pflanzen wie der „pavot cornu“. Vögel zwitschern, Insekten summen – die Natur hat sich ihr Terrain zurückgeholt.» Dies schreibt der Prospekt, heute zwitschert gar nichts, es schifft in Strömen. Und seltene Pflanzen sehen wir auch kein, oder mindestens nicht bewusst, weil wir nicht wissen, welche selten sind und welche nicht.
Für die Menschen hier sind die Terrils heute ein Ort der Erinnerung und der Erholung. Und seit 2012 gehören sie sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe!
Wir wandern trotz Regen los, umrunden den einen, erklimmen den anderen. Mit 172m Höhe sind diese Terrils übrigens die höchsten von Europa! Mit weniger geben wir uns auch nicht zufrieden!
Oben angekommen schifft und stürmt es ziemlich, nichts mit einem Drohnenflug und guten Fotos. Aber Eindruck machen diese künstlichen Berge schon. Es hätte noch mehr Platz hier für das Ausbruchsmaterial, aber den Minen gingen in dieser Gegend 1986 die Kohlen aus (im wörtlichen Sinne) und sie wurden geschlossen.
Etwas durchnässt machen wir es nun in unserem Knutschi bequem und kochen etwas feines, währenddessen draussen der Wind um die ecken pfeift und der Regen auf das Dach prasselt.
Mit dem Wohnmobil durch den Eurotunnel