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Avignon Frankreich 2015
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Reisebericht

Der Weg ist das Ziel 6.9.2022

Und die Strasse der Star

Wir schlafen heute aus und machen es wie die Isländer: vor 9 Uhr läuft gar nichts. So wie auf der Insel bisher, alle Geschäfte frühestens um 10 Uhr geöffnet, die Bäder um 12, also warum sollen wir pressieren? Aber der Hauptgrund ist ein andere: wir haben in der letzten Woche so viele Eindrücke in unseren Köpfen, dass wir regelrecht kaputt und müde sind. Ok, es fehlt auch noch etwas Schlaf von den Nordlichtern, genug Grund, es heute gemächlich anzugehen. Auch wissen wir noch nicht wirklich, bis wohin wir fahren werden, entscheiden wir unterwegs, je nach Lust und Laune.

Wir fahren durch Dalvik und dann vor Ólafsfjörður stecken wir plötzlich in einem 3 Kilometer langen Tunnel, der nur einspurig ist. Alle 100m kommt eine Ausweichstelle für den Gegenverkehr, allerdings sind wir die, die ausweichen müssen. Und es ist im Tunnel ziemlich schwierig, die entgegenkommenden Lichter richtig einzuschätzen, Geschwindigkeit und Distanz, gar nicht so einfach. Aber wir kommen gut durch und nehmen vor dem nächsten langen Tunnel die Passstrasse über die Berge.

Lagheiði

Wir sind alleine unterwegs, es ist eine Schotterstrasse durch eine wunderschöne Gegend mit vielen Bachläufen und kleinen Seen. Irgendwann packen wir noch unsere kleine Drohne aus und lassen sie automatisch unserem Womo folgen. Es gibt spektakuläre Bilder und wir sind froh, haben wir sie uns noch vor der Reise gekauft, auch wenn es doch einige Franken waren (ca. 1050.- die Dij Mini 3 pro). Für Drohnen ist Island ein super Land und wir lassen sie uns ein paar Mal folgen. So ganz ohne Verkehr und ohne Bäume und andere Hindernisse ist es eben doch etwas einfacher wie in der Schweiz.

Nach dem wunderschönen Pässchen Lagheiði, die Strasse heisst Ólafsfjörðarvegur (82), sind wir wieder am Meer und machen bei einem Picknickplatz Rast. Obwohl gerade Mittag ist, tischen wir uns unser Frühstück auf und geniessen die Sonne und den prächtigen Ausblick. Wir haben wieder ein grosses Wetterglück.

Nachdem wir gestärkt sind, fahren wir weiter bis Hofsós und stoppen kurz beim Pool mit Meerblick. Irgendwie haben wir aber keine Lust, zu baden und hier zu campieren. Wir entschliessen uns, einfach weiter zu fahren und sind 10 Minuten später in dichtem Nebel. Von wo kommt der denn nun so plötzlich her? Jetzt schätzen wir unser Wetterglück erst recht, wenn man die ganze Reise nur diesen nebligen Ausblick hätte? Wegen dem Nebel entschliessen wir uns, das Meer zu verlassen und ins Landesinnere zu fahren. Weniger Kilometer später verzieht sich der Nebel so plötzlich wie er gekommen ist und wir fahren wieder bei Sonnenschein auf die Ringstrasse.

Strasse 35

20 Kilometer später wollen wir die 35 doch probieren. Es ist eine Hochlandstrasse, die bis vor kurzen noch F 35 hiess, also nur für geländegängige Fahrzeuge war. Alle Wegweiser sind noch nicht getauscht, es prangt immer noch das F auf den gelben Schildern. Aber auf der Webseite des offiziellen isländischen Strassendienst ist es ganz klar nur noch als 35 angeschrieben. Die Webseite ist übrigens für jeden Womofahrer in Island ziemlich wichtig, road.is, dort sind jeweils die neusten Strassensperrungen und der Strassenzustand von fast jeder Strasse in Island vermerkt. Die 35 ist aktuell grün und also problemlos zu fahren.

Schon bald rumpelt es unter uns auf der Schotterpiste, dann kommt wieder einige Kilometer asphaltiert, bevor es dann endgültig ins Nirgendwo führt. Mondlandschaft mit vielen Seen, einfach fantastisch.

Dazwischen geraten wir in ein grosses Schafzusammentreiben, wo uns hunderte Schafe auf dieser Schotterpiste entgegenkommen. Ist das ein grosses Geblöcke und zuhinterst dann die Schaftreiber auf ihren Island-Pferden.

Wir fahren 80km auf dieser Schotterpiste 35, die gar nicht sooo schlecht ist. Nur die letzten 8 Kilometer sind ziemlich deftig, da geht es nur noch mit 20 km/h weiter.

Schliesslich kommen wir gut in Hveravellir an, einem weiteren Hochgeothermal-Gebiet, denn es brodelt und kocht wieder rund um den Parkplatz. Und einen Hot-Pot mit naturheissem Wasser gibt es natürlich auch.

Wir nehmen es aber mit der Ruhe und erholen uns ein wenig an der schönen Abendsonne. Die Gegend machen wir dann morgen unsicher.

Externe Links

Übernachtung

Hveravellir - Mountain Cafe****
Stellplatz

WC, Duschen, keine normale Entsorgung

Koordinaten: 64.86666,-19.55270
N 64° 51' 60"  E -19° 33' 9.8"
letzter Besuch: 9.2022

Hveravellir 7.9.2022

Im Hochland

Der heutige Tag beginnt mitten in der Nacht, Uhrzeit weiss ich nicht mehr. Aber während ich mich in meinem tiefen Schönheitsschlaf befinde, schreit Anita neben mir plötzlich: «Nordlichter!». Also schiesse ich wie ein Pfeil auf, ziehe Socken an, die Berghosen direkt über das Pyjama, Jacke auch darüber, warme Mütze, Fotoapparat (Stativ steht schon bereit) und ab nach draussen in die Kälte.

Wir schliefen extra ohne Verdunkelung der Dachhaube, damit wir allenfals Nordlichter sehen könnten. Allerdings schlief ich nach wenigen Minuten tief und fest…

Draussen wieder ein fantastisches Spektakel. Quer über den Himmel genau so eine tanzende, wellendes Nordlichtspektakel, und wirklich in starkem Grün. Wir geniessen den Ausblick und den Moment. Das Ganze dauert leider nur etwa 5 Minuten und dann zog plötzlich der Dunst über uns und alles schimmerte nur noch leicht grün, um wenige Minuten später ganz zu verschwinden.

Fotos habe ich nur zwei brauchbare und mein anvisierter Film wäre super gewesen, aber ich habe den falschen Knopf gedrückt und so ist gar ncihts drauf. Von wegen Beherrschung des Fotoapparates…

Danach steigen wir wieder in unser Bett und schlafen wie die Murmeltiere. Morgens werden wir schon wieder mit Sonne und blauem Himmel geweckt, aber im Knutschi ist es nur gerade 7 Grad. Anita bleibt also noch etwas unter der warmen Decke bis die Heizung etwas Wärme spendet.

Ich mache ein kleiner Rundgang und entdecke, dass der natürliche HotPot, um diese Zeit menschenleer ist. Also zurück zum Womo, Anita mit einem warmen Bad ködern und so laufen wir in Badehosen und Morgenmantel die 100m bis zu dieser natürlichen Badewanne auf 650m Höhe.

Wir sind ganz alleine, das Becken ist gerade so tief, dass man noch stehen kann, rechts wird mit zwei Leitungen kaltes Wasser zugeführt, links kommt die Leitung mit richtig heissem Wasser.

Weiter oben brodelt, zischt und kocht es überall im Boden. Es ist ein Hochtemperaturgebiet im Nirgendwo, absolut faszinierend. Es gibt hier heisses Wasser bis zur Genüge. Was muss das ein Gefühl sein, im Winter von einer Schneetöfftour hierher zu kommen und sich dann im heissen Becken aufzuwärmen.

Wir sitzen schlussendlich zwei Stunden im Wasser, lernen Sonja und HP kennen, die als gravel-traveller.ch unterwegs sind und fröhnen der isländischen Kultur: baden und News austauschen.

Gegen Mittag leert sich dann der Parkplatz und der Campingplatz, das heisst, ein Parkplatz zum übernachten. Weil es aber so schön ist und inzwischen 25 Grad warm, entschliessen wir, einfach hier zu bleiben und uns zu erholen.

Es gibt nämlich ein kleines Restaurant und kleine Container, wo man auch Übernachtungskoyen mieten kann, vor allem für die Zelter und Dachzeltler, die es hier schon recht häufig hat. Bei diesem tollen Wetter ist es aber wahrscheinlich ein weniger gutes Geschäft.

Wir machen dann noch einen Spaziergang durch das fauchende Gebiet, schiessen Fotos und sind fasziniert, wie einfach kochendes Wasser aus dem Boden läuft. Wenn wir ein Netzchen dabei hätten, könnten wir hier unsere 3-Minuten Eier machen, ohne Gas zu brauchen…

Nun sitzen wir vor dem Womo, geniessen die nicht selbstverständliche Wärme, und planen unsere Tour um. Wir könnten von hier auch direkt über die Hochlandpiste zum Geysir Strukkur, und dann von dort wieder Richtung Norden auf in die Westfjorde. Oder, oder, oder. Aber schliessliche packen wir unsere Wanderschuhe und erkunden die nähere Umgebung mit Sicht auf die beiden Gletscher Langjökull und Hofsjökull.

Der heutige Reiseruhetag tut uns richtig gut.

Übernachtung

Hveravellir - Mountain Cafe****
Stellplatz

WC, Duschen, keine normale Entsorgung

Koordinaten: 64.86666,-19.55270
N 64° 51' 60"  E -19° 33' 9.8"
letzter Besuch: 9.2022

Strokkur... 8.9.2022

...verarscht uns immer wieder

Die dritte Nacht in Folge sahen wir Nordlichter. Dieses Mal schauten wir aber nur zu unserem Schlafzimmerfenster hinaus und machten ein paar Fotos aus der Hand. Wir genossen das Schauspiel von Auge, ohne es gross für die Nachwelt zu erhalten. Aber es ist einfach Fantstisch, was die Natur zu Stande bringt.

Dann am Morgen tröpfelt es plötzlich auf unser Womodach. Eigentlich ist der Regen doch erst für Nachmittag angesagt… Wir packen zusammen und fahren um 8 Uhr schon los. Wir haben 80km Schotterpiste vor uns und wenn es da regnet, könnte es auch noch Schlammlöcher geben, also besser früh dran wie zu spät.

Hochlandstrasse 35

Wir fahren nun die Hochlandstrasse 35 entgegen dem ursprünglichen Plan nun doch gegen Süden weiter. Der Regen hört auf, bevor er richtig begann, dafür rumpelt die Strasse so richtig deftig. Wir fahren mit 20km/h und nach zwei Stunden Fahrt haben wir erst 40km hinter uns, erst die Hälfte. Die Schotterpiste ist nach unseren Infos 80km lang. Wir geniessen es trotzdem, denn wir sind praktisch allein unterwegs, einmal müssen wir sogar ein Bach durchqueren, sieht aber spektakulärer aus, wie es ist. Dann nach genau 75km haben wir es hinter uns und kommen endlich wieder auf die asphaltierte Strasse. 5km früher wie gerechnet, aber es ist eine Wohltat. Es rüttelt nichts mehr und wir können wieder auf die Tube drücken, die Kilometer fliegen nur so an uns vorbei.

Gullfoss

Schon kurze Zeit später fahren wir auf den Parkplatz des Gullfoss, einem der bekanntesten Wasserfälle Island. Dieser liegt auf dem Golden Circle, der bekanntesten Reiseroute Island. Diese Route ist 300km lang und startet in Reykjavik, also fast alle Touristen, die mit dem Flugzeug nach Island fliegen, fahren diese Strecke, die an sehr vielen Sehenswürdigkeiten vorbeiführt. Kein Wunder also, dass der Parkplatz mit Reisebussen übersät ist und viele PW’s hier stehen. Wir haben dies gewusst, sind uns die Menschenmassen aber nicht mehr wirklich gewöhnt. Von der Einöde kommend und grad wieder auf 100% Tourismus. Wobei man sagen muss, wäre dieser Wasserfall in der Schweiz, würde es doppelt so viele Infrastruktur haben, doppelt so viele Touristen hier sein und viel Eintritt kosten. Hier ist auch diese Sehenswürdigkeit kostenlos, sogar das Parken.

Die paar wenige Meter zum Wasserfall nehmen wir natürlich unter die Füsse und er ist wirklich eindrücklich. In zwei Stufen fällt er in eine Schlucht, diese zwei Stufen stehen in einem 90 Grad-Winkel zueinander, das Fotografieren ist also ziemlich schwierig und er ist in Wirklichkeit viel Eindrücklicher wie auf jedem Foto.

Nach dem wir uns satt gesehen haben, inspizieren wir den Souvenirladen. Es gibt ganz tolle isländische gestrickte Waren, aber Achtung, es gibt auch isländische Strickwaren Made in China… Also das Etikett sehr gut lesen. Wir genehmigen uns im Restaurant noch einen Zmittag, haben wir nun doch Zeit.

Geysir Strokkur

Später fahren wir die 10km weiter zum Strokkur, dem aktuell grössten Geysir auf Island. Der grosse Geysir, der gleich daneben lag und allen anderen Geysiren seinen Namen lieh, bricht nicht mehr aus und ist jetzt nur noch ein friedlich brodelndes heisses Wasserloch.

Zurück zum Butterfass (Übersetzung von Strokkur), überall steht, dass er regelmässig alle 10 Minuten ausbricht, uns verarscht er aber nun immer wieder. Ersten bricht er manchmal schon nach fünf Minuten wieder aus, manchmal zweimal kurz hintereinander, manchmal 3m hoch und dann wieder 20m.

Die Leute (und wir) stehen um das wabbelnde Wasserloch und nach 5 Minuten ist jeweils Totenstille und alle warten wie gebannt, wann die blaue Blase erscheint und das Wasser bruchteile von Sekunden später in die Höhe schiesst. Man kann dann ein «jetzt» rufen, und viele Fotoapparate klicken, obwohl noch gar nichts passiert… Und dann, wenn dann die Wasserfontaine hochschiesst, ist man doch nicht bereit. Anita und ich haben es ziemlich lustig, bis wir endlich Fotos und Filme haben… Anita hat einmal sogar einen Doppelausbruch auf Film, manchmal aber auch nur Füsse oder gar nix. Es ist wirklich Eindrücklich und es macht Spass, die Spannung in der Luft zu spüren und nie genau zu wissen, wann er nun kommt und wann nicht.

endlich, Sekundenbruchteile vor dem Ausbruch

Wir sind über eine Stunde dort und erleben dutzende von Ausbrüchen mit. Ein bisschen Erbarmen haben wir mit den Mitgliedern einer Reisegruppe, die gerade mal 20 Minuten Zeit haben, diesen Geysir zu bewundern und schon wieder auf den Bus müssen, bevor sie ein schlaues Foto machen konnten.

Nachdem wir uns satt gesehen haben, fahren wir 50km weiter zum Þingvellir Nationalpark und stoppen beim Campingplatz Syðri Leirar (Nicht der bei der Hauptstrasse, sondern nach dem Abzweiger links). Es ist wunderschön hier, auf einer grossen Wiese mitten in der Natur, quasi frei stehen! Auf dem grossen Naturgelände sind wir heute nur vier Fahrzeuge! Na gut, erfahrungsgemäss kommen dann gegen 19 Uhr und vor dem Eindunkeln noch einige Jeeps, Lieferwagen mit Dachzelten und andere Zeltler…

Externe Links

Übernachtung

Þingvellir - Syðri Leirar****
Camping

kein Strom aber alles andere

Koordinaten: 64.27599,-21.09322
N 64° 16' 33.6"  E -21° 5' 35.6"
letzter Besuch: 9.2022

Geo und isländische Geschichte 9.9.2022

Über und unter Wasser

Anita gelbe Taucherbrille, Rolf blau

Wir erwachen im Þingvellir Nationalpark und es schifft, schifft so richtig was der Himmel runter bringt. Also was machen? Die neuen Regenhosen anziehen und unsere Regemäntel. Sogar unser Fotoapparat bekommt sein Regenmäntelchen. Endlich können wir mal unsere Sachen auf Dichtigkeit prüfen, schliesslich haben wir uns auch auf Regen eingestellt.

Wir sind hier genau auf oder zwischen den Kontinentalplatten von Eurasien und Amerika. Diese Platten entfernen sich voneinander und ziehen sich durch ganz Island. Darum gibt es hier auch immer wieder Vulkanausbrüche und Erdbeben. Im Þingvellir Nationalpark sieht man diese Schlucht zwischen den auseinanderdriftenden Platten besonders gut. Der Graben wird jedes Jahr 7mm breiter und 1mm tiefer.

rechts Eurasische Platte, links Amerika

Dazu ist hier quasi das Rütli von Island. Alle wichtigen Entscheide von Island werden seit dem Jahr 930 hier in dieser Schlucht gefällt. Vom ganzen Land strömten die Bauernführer nach einem genauen Ritual hierhin und entschieden am Althing über Gesetze, Recht und Unrecht. Der Ort hier war ideal, Weideland für die Pferde und genügend Brenn- und Bauholz für die rund 4000 Menschen, die jeweils dem Althing beiwohnten (10% der damaligen Bevölkerung). Es wurde übrigens extra ein Fluss so umgeleitet, dass dieser in die Schlucht führte und so genügend Trinkwasser bereitstellte. Der Wasserfall Öxarárfoss zeugt noch heute von dieser Umleitung.

Am 17. Juni 1944 wurde übrigens die Republik Island ebenfalls hier ausgerufen. Das ist dem heutigen Wetter aber so von egal, denn es schifft noch immer Bindfäden. Was kann man bei so einem Wetter machen? Und genau hier? Wir gehen schnorcheln… Wenn wir schon nass sind, kommt es grad auch nicht mehr drauf an.

Schnorcheln Silfra-Spalte

Schorcheln kann man hier in der Silfra-Spalte, eben genau zwischen diesen Kontinentalplatten in dem Teil, der unter Wasser liegt. Das Wasser kommt vom 60km entfernten Gletscher Langjökull und wird Jahrzehntelang unterirdisch im Lavagestein gefiltert, bis es hier in dieser Spalte wieder austritt. Es soll das klarste Wasser der Welt sein und eine Sicht von über 100m ermöglichen.

Also melden wir uns für eine Schnocheltour an. Weder Anita noch ich haben je geschnorchelt, und das in 2 Grad kaltem Wasser!!!

Also finden wir uns pünktlich vor 13 Uhr bei troll.is auf dem Parkplatz ein, lange Unterhosen, warme Socken und ein enganliegendes langärmliges Unterleibchen wurde gefordert. Dann können wir in einem Anhänger geschützt vom Regen ein dicker, zusammenhängender Traineranzug anziehen. Danach wird uns in ein Gummianzug geholfen, zuerst die Füsse und beine, dann der Oberkörper und Arme. Es ist eine ziemliche Prozedur bis wir bis zum Hals eingepackt sind. Dann stehen wir im strömenden Regen und hören den Instruktionen zu. Das Wasser läuft uns übers Gesicht und die Haare sind klitschnass. Danach können wir uns Handschuhe anziehen, eine Gummihaube über den Kopf und watscheln wie aufgeblasene Enten 100m zum Einstieg. Dort ziehen wir zuerst die Taucherbrille und Schnorchel über und dann noch die Flossen und steigen ins eiskalte Wasser. Das einzige was mit dem Wasser in Berührung kommt sind unsere Lippen und Teile vom Gesicht.

Sicht Anita
Wow, ist das cool, so schwebelos auf dem Wasser schwimmen, ohne etwas zu machen. Und das blaue Wasser, einfach fantastisch. Was sind das wohl für Algen? Wow, ist das tief unter mir und so schön dunkelblau! Die Taucherbrille ist wirklich dicht und ich könnte stundenlang so schweben. Richtig erholsam, still und ganz für mich alleine. Nicht mal kalte Hände habe ich. Mist, muss ich nun schon raus? Sind diese 40 Minuten im Wasser wirklich schon vorüber?

rechts Eurasische Platte, links Amerika

Sicht Rolf
Es ist erstaunlich warm im Anzug. Aber da ist soviel Luft drin, tauchen unmöglich, nur auf dem Bauch liegen oder dem Rücken, nicht mal stehen im Wasser ist möglich. Der Schnorchel im Mund gibt fast einen Brechreiz und mit diesen dicken Handschuhen, kann ich meinen wasserdichten Fotoapparat überhaupt nicht bedienen. Wo sind eigentlich die andern aus der Gruppe? Und vorwärts komme ich irgendwie auch nicht, fehlt mir eine Flosse? Die Taucherbrille ist erstaunlich dicht, kein Problem immerhin. Aber sehen tue ich ausser Felsen unter Wasser irgendwie auch nicht viel. Ziemlich karg. Irgendwo geht es doch links nach einem Felsen hat unser Guide gesagt. Wo ist das? Immerhin sehe ich nun meine Gruppe wieder und auch den Ausstieg. Soll ich grad dorthin schwimmen und raus oder blamiere ich mich? Na gut, dann warte ich halt noch. Uff, endlich wieder Boden unter den Flossen und an der frischen Luft.

Unsere Eindrücke sind also ziemlich unterschiedlich und ich bin froh, als wir nach dem ganzen Umziehen endlich wieder im Knutschi sind. Was übrigens toll ist bei dem Anbieter, wo wir waren (troll.is), dass man Unterwasserfotos kostenlos dazubekommt, bei anderen Anbietern muss man extra bezahlen. Denn von meinen Fotos war kein einziges brauchbar…

Es schifft noch immer und wir beschliessen, wieder Richtung Norden zu fahren, dort soll das Wetter besser sein. Als Abkürzung nehmen wir die 550 und danach die 52. Trotz Regen eine wunderschöne Fahrt durch eine wunderschöne Gegend, auch wenn 20km Schotterpiste folgt. Man kann sich unser Knutschi vorstellen bei diesen nassen Pisten, dreckig braun bis zum Rückspiegel hoch- Man könnte meinen, wir seien einen Schlammweg gefahren.

Wieder auf der Ringstrasse kommen wir dann schnell vorwärts, aber es kommt kein Campingplatz mehr. Wir müssen bis zum Beginn der Westfjorde fahren, bis wir wunderschön direkt am Meer stehen.

Übernachtung

Borðeyri - Camping***
Camping

direkt am Meer

Koordinaten: 65.21148,-21.09672
N 65° 12' 41.4"  E -21° 5' 48.2"
letzter Besuch: 9.2022

Grusliges Hotel 10.9.2022

schöner Camping

Wir fahren dem schlechten Wetter davon. Der isländische Wetterdienst meldet im Norden besseres Wetter und da wir ja sowiso in die Westfjorde wollen, trifft sich das gut. Die Strassen sind zwischendurch perfekt apshaltiert, dann kommen wieder 20km Piste, abwechslungsreich. Sobald wir 100m vom Meer in die Berge kommen fahren wir in dichtem Nebel. Gar nicht so einfach auf einer Schotterpiste ohne Markierungen. Aber meist geht es nur über einen Hügel und hinten wieder hinunter und sobald wir auf Meereshöhe fahren, ist die Nebeldecke wieder über uns.

Nach 120km haben wir das gute Wetter erreicht und wir stoppen im ersten Dorf, das wir heute durchfahren. In Hólmavík gibt es eine Tankstelle und ein kleiner Supermarkt. Also tanken wir unser Knutschi voll (2.25 CHF für einen Liter Diesel, bei jeder Tankstelle haben die glaub die gleichen Preise) und da das Wetter nun definitiv besser wird, unser Knutschi braun bis zum Rückspiegel wie alle isländischen Fahrzeuge aussieht, waschen wir es gründlich. Bei jeder Tankstelle gibt es immer auch einen Waschplatz, wo man kostenlos sein Fahrzeug mit viel Wasser reinigen kann. Unser Womo hat es nun wirklich verdient. Als alles sauber ist, gehen wir einkaufen, uns fehlt vor allem Rahm und Mineralwasser mit Kohlensäure. Letzteres findet man aber ziemlich selten, auch hier werden wir nicht fündig. Aber wir füllen alle anderen Vorräte auch auf und so können wir vollgeladen weiter fahren.

Kurze Zeit später fahren wir von der Hauptstrasse rechts weg Richtung Drangsnes. Dort haben wir auf der Karte einen Campingplatz mit Meersicht gesehen und im Dorf soll es auch Hot-Tubs haben. Wir kommen gut dort an, installieren uns auf dem Camping, nehmen die Stühle heraus und machen es uns gemütlich. Aber irgendwie will keine so richtige Ferienstimmung aufkommen, es ist erst 14 Uhr und die Hot-Tubes sind 500m entfernt.

Anita macht plötzlich den Vorschlag, zum nächsten Camping zu fahren. Ersten haben wir noch Zeit, zweitens ist das Wetter dort noch besser und drittens hätten wir Lust, weiter zu fahren. Also packen wir wieder alles zusammen und machen uns fahrbereit. Eine Stunde Zwischenstopp und schon sind wir wieder unterwegs.

beim Zwischenhalt

Allerdings sind es 100km bis zum nächsten Camping, aber dort soll es einen riesig grossen Hot-Tube geben. Und weil wir Zeit haben und das Wetter so eine wundervolle Stimmung hergibt, umrunden wir die kleine Halbinsel auch noch. Es lohnt sich bei dieser Wetterstimmung, die Strasse ist meistens aus Schotter, aber top Sicht auf das Meer. Danach geht es die Berge hoch und hinten wieder runter.

Die Zeit und die Strecke geht schnell vorüber bis wir dann in unserem Ziel in Reykjanes an. Das Hotel sieht aus wie eine verlassene Bauruine aus den 70er Jahren, ziemlich schrecklich aber hinter dem Hotel gibt es einen kleinen Campingplatz. Wunderbare Sicht auf den ganzen Fjord und jetzt bei windstillem, sonnigen Wetter, besser könnte man es nicht haben.

Im Hotel bezahlen wir den Platz und auch die Benützung des grossen Pools (5000 ISK). Dieser Pool sieht gut aus, über dem Meer und er ist riesig, sicher 40m lang und gefüllt mit warmen Geothermiewasser! Wir ziehen sofort unser Badehosen und Bademantel an und benützen den gesamten Pool für uns alleine. Es ist irgendwie traumhaft und wir geniessen es in vollen Zügen.

Später kommen noch zwei einheimische Familien mit den Kindern, während dem wir nach 90 Minuten völlig durchweicht sind vom ca. 39 Grad heissem Wasser.

Anita kocht uns nun im Knutschi unser Abendessen und wir überlegen uns, ob wir später beim Eindunkeln nochmals in den Pool sollen und die Nordlichter bestaunen können. Das wäre was, dann würden wir beim Warten nicht frieren.

Allerdings würde es mich nun echt wundernehmen, wie die Hotelzimmer in dieser Ruine sind. Auf Google hat das Restaurant-Essen vernichtende Kritiken, so sieht es von aussen aber auch aus. Wenn wir nicht auf dem schönen Camping wären, würden wir glaub weiterfahren. Aber irgendwie toll, auch so etwas mal zu erleben.

Übernachtung

Reykjanes - tjaldsvæði***
Camping

super Pool und tolle Aussicht

Koordinaten: 65.92766,-22.42437
N 65° 55' 39.6"  E -22° 25' 27.7"
letzter Besuch: 9.2022

Fjordfahrt 11.9.2022

Staunen und geniessen

Bunárfoss

Der blaue und wolkenlose Himmel wirft unser ganzes heutiges Programm auf den Kopf. Wir haben geliebäugelt, vielleicht noch einen Tag hier zu bleiben und den riesigen Hot-Pot zu geniessen, aber bei diesem schönen Wetter? Und weil Sonntag ist, wollte Anita einen Zopf backen, aber bei diesem windstillen Wetter zieht es uns hinaus. Eigentlich wollten wir heute irgendwo unsere Kleider Waschen, aber bei blauem Himmel haben wir besseres zu tun.

Also starten wir mit einer kleinen Wanderung zum Gamla laugin, ein kleiner natürlicher warmer Weiher in der näheren Umgebung. Wir sind schnell dort, aber obwohl ganz heisses Wasser in den Teich fliesst, so richtig warm ist er nicht. Auch nicht tief, aber ganz schön und mit dem Meer im Hintergrund. Wir machen noch einige Fotos und laufen dann wieder zurück. Kurz vor dem Camping dampft es wieder aus dem Meer, also machen wir noch eine Schlaufe und schauen nach. Ein Schild macht uns darauf aufmerksam, dass heisses Wasser aus dem Rohr kommt. Anscheinend ist hier eine kleine Salzanlage, die aus Meerwasser und mit geothermischem heissem Wasser natürliches Salz gewonnen wird. Anita nimmt noch einen kleinen Salzkristall mit, der hier auf dem Abfall liegt. Sauber putzen und dann haben wir für die gesamte Reise unser Salz…

Und dann packen wir zusammen, nichts mit nochmals warmen Pool, nichts mit Zopf, uns zieht es bei diesem tollen Wetter einfach weiter. Wir fahren einen Fjord am andern, 20km entlang dem Fjord, hinten um die Ecke und auf der anderen Seite die 20km wieder nach vorne. Wir sehen die entgegenkommenden Autos schon eine Stunde vorher auf der entgegengelegenen Seite… Drei Fjorde müssen wir so abfahren und plötzlich ruft Anita: «halt mal schnell, da hat es Seehunde!» Sofort folgt ein kleiner Parkplatz und ein Fussweg zu einem Aussichtspunkt, der extra für die Beobachtung dieser Tiere gemacht wurde. Wir stehen mindestens eine halbe Stunde dort und beobachten diese Tiere. Allerdings wissen wir nicht, ob es wirklich Seehunde sind, aber Robben bestimmt. (Robben sind der Oberbegriff dieser Tierarten, Seehunde und Seelöwen sind also Robben).

Wir fahren weiter und staunen und staunen! Hinter jeder Kurve sieht es wieder fantastisch aus, tiefblaues Meer, blauer Himmel, Schneeberge und viele andere Berge und Hügel. Es ist einfach nur fantastisch! Und einmal mehr wird uns bewusst, wie privilegiert wir zwei leben können.

Irgendwann kommen wir in Ísafjörður an, einer riesigen Stadt mit knapp 2800 Einwohnern. Wir fahren ins Zentrum, parken unser Knutschi und merken, dass ein Einkaufszentrum auch am Sonntag geöffnet ist. Also rein, nur mal schauen. Und raus kommen wir mit einer ganzen Tasche voll Lebensmittel. Ich dachte, wir brauchen nichts?

Ísafjörður

Nach einem kurzen Rundgang durch das Städtchen und den Hafen fahren wir auf den 4km entfernten Campingplatz und richten uns ein.

Sofort sticht uns ein Wasserfall oberhalb ins Auge, also mit den Wanderschuhen und dem Fotoapparat den Berg hoch. Wir kraxeln hoch, schwitzen bei dieser Wärm (Schätzungsweise 25 Grad, das Thermometer gibt aber nur 13 an) und geniessen den absolut traumhaften Ausblick auf den Wasserfall, den Fjord, die Berge und das Städtchen. Und weiter oben kommt immer nochmals ein Wasserfall, so dass wir immer höher und höher geraten. Ich denke noch, von hier wäre es traumhaft, ein Bild mit den Polarlichtern aufnehmen. Kaum habe ich das gedacht sagt Anita: «denke ja nicht, dass ich dich im Dunkeln da hinaufkraxeln lasse, viel zu gefährlich!» Mist, hat sich das auch erledigt, aber genial wäre es schon…

Ísafjörður

Dann sind wir beim letzten Wasserfall und wollen schon wieder umdrehen, als ich noch ganz schnell nochmals 10m höher klettere. Und dann hat es mich fast aus den Socken: ein riesiger Parkplatz und eine tolle Strasse in ein Skigebiet. Es ist ein Langlaufzentrum, wie uns Einheimische später erklären.

Wenn wir jetzt mit dem Knutschi hier hinauf fahren würden und im Warmen auf die Nordlichter warten könnten und dann das ultimative Foto doch noch schiessen dürften?

Aber zuerst geht es zu Fuss alles nochmals hinunter. Wir sammeln auf dem Weg noch Blaubeeren, damit wir nicht verhungern und kommen gut beim Knutschi an. Diese Wanderung zum Bunárfoss lohnt sich auf jeden Fall aber die Fahrt zum Langlaufzentrum auch und ist erst noch bequemer.

Wir brechen auf dem Campingplatz nämlich doch wieder ab und fahren nun zum Dalirnir tveir – Ísafjörður Ski Resort hoch.

Hier sitzen wir nun im Warmen, geniessen die Aussicht und warten bis es Dunkel wird. Und dann hoffen wir auf die Polarlichter, Wahrscheinlichkeit gemäss App: 21%

Übernachtung

Ísafjörður - Ski Resort***
Parkplatz

Nordlichter beobachten

Koordinaten: 66.06582,-23.21540
N 66° 3' 57"  E -23° 12' 55.5"
letzter Besuch: 9.2022

Dynjandi 12.9.2022

Hammerfahrt durch die Westfjorde

Wow, was für eine Fahrt! Und man stelle sich mal vor, wir hätten sonniges Wetter statt des einheitlichen grauen Himmels! Wegen der starken Bewölkung sahen wir letzte Nacht auch keine Nordlichter, urplötzlich waren die Wolken hier und verschwanden auch nicht mehr.

Da sind wir dann relativ früh am Morgen weiter gefahren von Ísafjarðarbær durch die Westfjorde Richtung Þingeyri bis nach Patreksfjörður, 145km. Die Fahrt begann mit einer 7km langen Tunnelfahrt, wo nach 2km Tunnel eine Abzweigung in einen anderen Fjord kam. Mitten unter dem Berg eine richtige Kreuzung, erlebt man auch nicht alle Tage. Danach ging es den Fjorden entlang, die Berge hoch und wieder runter und am nächsten Fjord weiter.

Nach 45km sehen wir von weitem den Wasserfall Dynjandi. Wow, was für ein Anblick. Uns wurde gesagt, dass…. Besichtigt auch unbedingt jenes…. Wir bekamen so viele gute Tipps, aber dass dieser Wasserfall so spektakulär und schön ist, das hätten wir nicht erwartet. Ein absolutes Muss auf jeder Islandreise! Da können aus unserer Sicht Gulfoss, Godafoss und wie sie heissen, einpacken.

Vom Parkplatz mit dem karibikblauen Meer im Hintergrund (warum hat dieses Meer in dieser Gegend so starkes türkisfarbenes Wasser? Bei Sonnenschein könnte ich das noch verstehen, aber bei verhangenem, regnerischem Himmel?) ist schon der 5 minütige Fussmarsch spektakulär. Man kommt am Háifoss, Úðafoss, Göngufoss, Hundafoss and Bæjarfoss vorbei. Jeder einzelne dieser Wasserfälle ist selber schon ein Besuch wert. Aber wenn man dann ganz oben direkt vor dem Dynjandi steht, bleibt einem die Spucke weg. 100m stürzt das Wasser weit aufgefächert wie ein königlicher Vorhang zu Tale. Einfach nur spektakulär.

Wir schiessen Unmengen von Fotos und können uns kaum satt sehen. Auch die unteren Wasserfälle sind spektakulär mit dem grünen Moos und den schwarzen Felsen.

Danach fahren wir endlich mit vielen Eindrücken die Schotterstrasse weiter den Berg hoch, ein traumhafter Ausblick in die Bergwelt und gleichzeitig auf das tiefblaue Meer. Wie muss dass denn bei Sonne aussehen? Aber wir können nicht hadern, stoppen hinter jeder Kurve und machen weiter Foto um Foto. Den anderen Touristen geht es allen ähnlich, ich glaube, wir überholen dutzende Male die selben Autos, die dann uns wiederum überholen.

Wir haben noch nicht die gesamten Westfjorde gesehen, aber das muss eine der schönsten Strecken sein. Irgendwann kommt dann auf der Strecke auch noch ein HotPot im nirgendwo mit warmen Wasser. Wir stoppen aber nur kurz, denn zum Baden haben wir irgendwie keine so richtige Lust. Es stehen auch schon ziemlich viele Autos hier, wahrscheinlich nimmt jeder auf der Durchfahrt noch ein Bad. Wir nicht, wir geniessen die Gegend und fahren weiter bis wir in Patreksfjörður auf dem Campingplatz fahren. Dieser hat noch drei Tage geöffnet, dann schliesst er die Saison ab.

Während wir tolle Meersicht haben, haben wir aber ein ganz anderes Interesse: hier gibt es eine Waschmaschine und einen Tumbler. Wir müssen unbedingt waschen oder dann neue Kleider kaufen. Meine Unterhosen sind alle aufgebraucht… Also machen wir unsere Wäsche bereit und es hilft uns, dass wir die einzigen hier sind, die aktuell zu waschen haben…

Während nun die Maschine für uns läuft, spazieren wir ins Dorf und wundern uns einmal mehr, wie die Isländer in den abgelegenen Gegenden wohnen. Hier muss alles praktisch und nützlich sein, für Schönheit und Details haben sie keinen Blick. Viele Häuser sind mit Wellblech verkleidet, andere sind halbe Ruinen und vor jedem zweiten Haus gibt es eine kleine Baustelle. Schön ist anders. In einem kleinen Supermarkt finden wir im Nebenraum auch noch die Haushaltsabteilung mit Waschmaschinen, Mixer, Kaffeemaschinen. Es hat genau ein Modell an Mixer zu kaufen, eine Modell Kaffeemaschine, zwei Modelle Toaster etc. Eigentlich haben sie recht, warum brauchen wir eine Auswahl von 30 verschiedenen Mixern? Einer reicht doch völlig. Sind darum die Isländer das glücklichste Volk? Weil sie pro Tag weniger Entscheide fällen müssen und einfach das bekommen, was verfügbar ist? Sind wir darum im Womo auch so glücklich, weil wir keinen Mixer und keinen Toaster haben?

Wahrscheinlich würde es jedem mal guttun, in so einer abgelegenen Gegend zu wohnen und nur das zu haben, was es bis hierher schafft.

Anita hat übrigens dringend neue Badehosen gesucht, die gab es hier auch, in der Apotheke. Genau ein Modell mit drei verschiedenen Farben, entweder passt es oder man lässt es bleiben. Und Anita haben sie gepasst, darum haben wir nun Badehosen, gekauft in Patreksfjörður, 348km von Grönland entfernt (und 2848 km von Sevelen).

Übernachtung

Patreksfjörður - Camping Ground***
Camping Koordinaten: 65.59180,-23.97459
N 65° 35' 30.5"  E -23° 58' 28.5"
letzter Besuch: 9.2022

Super Sandstrand 13.9.2022

und verschiedene Geschmäcker

In unserem Knutschi duftet es fein nach frischer Wäsche. Sind wir darum so früh wach? Uns zieht es weiter und darum sind wir dann um 9 Uhr auch die ersten, die vom Campingplatz wegfahren. Wie üblich in dieser Gegend geht es einem Fjord entlang und dort wo er endet, fahren wir nicht einfach der Hauptstrasse weiter entlang, sondern biegen ab Richtung Wrack der Garðar BA 64, dem ersten isländischen Stahlschiff, dass 1912 gebaut wurde und 1981 in den Westfjorden gestrandet ist. Man liess es einfach liegen und nun ist um das still vor sich hin rostende Schiff herum ein Picknickplatz entstanden. Das Gute ist, man kann mit dem Womo direkt vor das Schiff fahren und ein paar Fotos schiessen. Aber vom Hocker haut es uns nicht wirklich.

So fahren wir weiter und biegen links weg. Die Schotterstrasse wird steiler, führt über ein Pässchen und dann 10% steil hinunter. Es sieht ziemlich spektakulär aus, ist aber gut zu fahren. Dann führt es noch kurz über eine Ebene und wir landen auf dem Campingplatz Melanes. Eine grosse grüne Wiese und dahinter ein riesiger, wirklich riesiger gelber Sandstrand und weit draussen das Meer. Wow, sieht das toll aus und wir glauben sofort, dass dies der schönste Strand von ganz Island sein soll.

Wir stellen unser Knutschi hin, buchen und bezahlen online und sind kurze Zeit später alleine hier auf der grossen Wiese. Alle anderen haben zusammengepackt und sind weitergezogen.

So habe ich bei leicht bewölktem Himmel Zeit und Platz, mit der Drohne zu fliegen und etwas Routine zu gewinnen. Natürlich gibt es auch tolle Fotos, vor allem, weil die Sonne immer mehr zwischen den Wolken durchscheint und schlussendlich alle Wolken verschwunden sind. Nach der Schulung meiner Flugkünste machen Anita und ich einen ausgedehnten, sehr ausgedehnten Strandspaziergang. Wir sind zwei Stunden unterwegs und in der Mitte, wo die Lagune beim Strand abfliesst, sonnen sich auf der gegenüberliegenden Seite dutzende von Robben. Einige sind auf der Jagd nach Fischen und tauchen immer wieder auf, andere sonnen sich und beobachten uns.

Wir sitzen da, Anita mit Feldstecher, ich mit Fotoapparat und geniessen dieses Schauspiel. Es sind faszinierende Tiere. Wir sind weit und breit alleine und es würde mich unendlich reizen, mit der Drohne ein paar Aufnahmen der Robben zu machen und über sie hinweg zu fliegen. Aber ich mache es nicht, die, die an der Sonne liegen hätten sicher keine Freude und fühlten sich sehr wahrscheinlich gestört. Und wenn dann jeder Tourist mit einer Drohne daherkommt, weiss ich nicht, wie lange es an dieser Stelle noch Robben zu besichtigen gibt. Also lasse ich es bleiben und verzichte auf tolle Fotos.

Auf dem Rückweg finden wir dafür noch einen verendeten und gestrandeten Wal, etwa 7m lang. Er stinkt grässlich, ist aber noch fast komplett ausser den Augen und einen aufgeschlitzten Bauch. Zum Teil sieht er von den Vögeln etwas angeknabbert aus, für ein Fischfilet ist nun also nicht der richtige Zeitpunkt.

Wir wandern bei schönstem Sonnenschein weiter Richtung Campingplatz, geniessen die gelbe Farbe des Strandes und die schön beleuchteten Berge im Hintergrund. Wieder beim Womo, beginnt Anita einen Teig zu kneten, denn heute Abend wird es in unserem Knutschi nach frischen Salzstangen riechen. Ich freue mich jetzt schon auf den Znacht.

Während Anita das Brot backt, breite ich die Strassenkarte aus, nehme ein Blatt Papier zur Hand und beginne, unseren zweiten Teil der Reise zu planen. Wir sind jetzt ziemlich genau in der Mitte, haben Island von Osten über den Norden bis nach Westen durchfahren und nun geht es im Süden zurück.

Wir sind aktuell auf dem 24 Längengrad West, also 32 Grad westlicher, wie zu Hause in Sevelen. Die Sonne hat für 360 Längengrade 24 Stunden, so sind wir jetzt 2 Stunden und 8 Minuten westlicher. Bei uns geht die Sonne also 128 Minuten später unter den Horizont wie zu Hause. Stimmt also ziemlich genau, mit den 2 Stunden Zeitdifferenz.

Wir könnten nun noch eine Stunde Schotterpiste fahren, bis wir zum Látrabjarg an den westlichsten Punkt von Island kommen. Es ist ein berühmter Felsen, wo man die Puffins sehen könnte, wenn sie noch hier wären. Aber da diese tolpatschigen Vögel schon auf dem offenen Meer sind und wir nicht einfach so eine Stunde hin und zurück eine Schotterpiste fahren wollen, lassen wir den westlichsten Punkt aus.

Wir werden also in den nächsten Tagen die Westfjorde verlassen, Westisland durchfahren, die Halbinsel Reykjanes mit der Hauptstadt und Südisland bis wieder ganz in den Osten durchkreuzen.

Wir freuen uns schon, was es dort überall zu sehen gibt. Aufgeschrieben haben wir noch so einiges…

Übernachtung

Melanes - Melanes tjaldsvæði****
Camping

grosse Wiese, direkt am Sandstrand und Meer

Koordinaten: 65.44509, -23.9548
N 65° 26' 42.3"  E -23° 57' 17.3"
letzter Besuch: 9.2022

Zwei Fehler 14.9.2022

bei traumhaftem Wetter

Hellulaug

Ich nerve mich unendlich. Jetzt beginne ich diesen Beitrag schon zum zweiten Mal, das erste mal war er praktisch fertig und dann stürzt mein PC ab. Nicht mal eine Sicherungskopie wurde erstellt (Einstellung alle 5 Minuten) aber nichts ist mehr da. Man müsste Microsoft verklagen wegen Ferienstörung… Schöner Mist, der ganze Tag ist futsch so. Obwohl der Tag eigentlich ganz gut begann… 

Nachts hatten wir klaren Himmel, ein Grund, unsere Verdunkelungen offen zu lassen, man weiss ja nie. Unser Polarlicht-App zeigt für diese Nacht leider nur minimale Chancen, aber es hat sich schon öfter getäuscht.

Und dann wie auf Kommando tanzten die grünen Lichter an unserem Nachthimmel. (Dokument abgespeichert) Sie waren nicht so stark wie auch schon, aber es war trotzdem ein super Schauspiel. Wenn ich denke, dass wir nun bei Hälfte der Reise schon an vier Nächten Polarlichter sahen, sind wir echt glücklich, andere sehen während den ganzen Ferien die Aurora borealis nie. (momentan bin ich immer noch genervt, aber Dokument wieder manuell abgespeichert.)

So machen wir uns morgens dann bei blauem Himmel weiter auf den Weg in den Westfjorden Richtung Süden. Nach jeder Kuppe, jeder Kurve und jedem Fjord sind wir wieder gespannt, was folgt. Parktisch an jedem Rastplatz machen wir halt und könnten Stunden verbringen und neue Dinge entdecken. Irgendwie müsste man zwei Jahre Zeit auf Island haben.

So kommen wir nicht schnell vorwärts, die Speicherkarten der Fotoapparate füllen sich, und als wir dann nach 40km am ersten Hot-Tube am Meer vorbeikommen, fahren wir einfach weiter. Ja tatsächlich, denn dieses Bad hat nur 28 Grad und das ist uns doch viel zu kühl. (wieder brav speichern) Wir fahren lieber noch 20 km weiter bis nach Flókalundur dort soll ein Natur-Hot-Tub direkt am Meer mit 38 Grad kommen.

Kurze Zeit später sind wir dort, fahren an der Tankstelle vorbei (der heutige grösster Fehler, neben dem nicht speichern) und parkieren auf dem kleinen Parkplatz. Schnell Badehosen anziehen und Bademantel (Bademantel in Island ist übrigens eine Top-Gadget) darüber und zu Fuss zum 50m entfernten Hot-Tub. Es ist echt traumhaft, direkte Meersicht, heisses und klares Wasser und nur ein kanadisches und israelisches Pärchen sind neben uns im Wasser. Kurze Zeit später sind wir sogar alleine und geniessen es in vollen Zügen, machen viele Fotos und lassen unser Gesicht bei 8 Grad an der Sonne bräunen (abspeichern).

Hellulaug

Später sind wir wieder unterwegs den Fjorden entlang. Bei einer Schotterpiste sind sie gerade am Arbeiten und ebnen die Strasse von den Schlaglöchern wieder aus. Dies muss bei nassen Strassen geschehen, denn sie Wässern wie verrückt, jetzt wo es mal nicht regnet. Unser Knutschi sieht wieder aus wie gemauert.

Und bei uns macht sich der Durst bemerkbar. Neben isländischem Quellwasser haben wir gar nichts mehr flüssiges mit Geschmack, das ging uns gestern aus. Aber mal so schnell in einen kleinen Shop liegt nicht drin. Denn auf den folgenden 130km kommt rein gar nix solches. Wir sind kurz vor dem Verdursten und teilen uns noch einen Apfel, wo wir den Saft raussaugen (abspeichern). Dann endlich kommt die Abzweigung nach Reykhólar, nur noch 14km. Dieses 120 Seelendorf ist seit über 100km auf den einzigen Verkehrsschildern markiert, also muss es doch schon etwas darstellen.

Als wir ankommen sehen wir ausser einer Schule, einigen Häusern, einer Kirche, einem Schwimmbad, geschlossener Campingplatz und einer Tankstelle nicht viel. Aber: die Tankstelle hat einen kleinen Shop, der uns schlussendlich das Leben rettet. Das war echt knapp!

Aber hier bleiben, lohnt sich das? Wir entscheiden: Nein, die nächsten 60km schaffen wir auch noch, denn dort soll es bei einem Hotel ein Natur Hot-Pot geben und wir freuen uns auf ein Abendessen im Hotel.  (abspeichern, so weit war ich bei der ersten Version auch).

Als wir beim Hotel Laugar Sælingsdal ankommen, sieht das Hotel verlassen aus und es ist abgeschlossen. Mist, das wird nichts mit einem feinen auswärtigen Abendessen. Auch der Campingplatz sieht ziemlich verlassen aus, aber ein WC ist offen, das Wasser läuft und auch Strom gibt es. Zu bezahlen im Hotel. Na, wir richten uns mal ein und warten ab.

Der Hot-Tube sieht super aus, aber da wir heute schon sauber genug sind, nicht frieren und doch schon Hunger haben, lassen wir es vorerst bleiben.

Vielleicht wenn es dunkel ist und die Nordlichter am Himmel tanzen? Denn es ist aktuell wieder klar und es sind nur noch drei Stunden bis zur Dunkelheit.

Meine Laune ist übrigens wieder gut, Anita hat fein gekocht und wir haben noch genügend Vorräte, um auch diese Nacht zu überleben.

Nacht der Geister 14.9.2022

Die Seelen tanzen am Himmel.

nicht nur die Geister tanzen

Der Abend ist wolkenlos, die Luft klar wie Glas. Wir sitzen beim Eindunkeln im Wohnmobil auf dem Zeltplatz in Sælingsdal. Das angeschlossene Hotel ist geschlossen, kein Mensch hier ausser noch vier andere Fahrzeuge , die auf diesem Platz übernachten wollen.

200m den Berg hoch ist ein HotPot, ein aus Steinen errichteter kleiner Pool, der mit natürlich warmen Wasser gefüllt wird. Dieser Hot Pot Laugar í Sælingsdal taucht schon in den alten isländischen Sagen auf.

Es wird langsam dunkler, die Nacht schwärzer. Zeit, mit Bademantel, Taschenlampe, Fotoapparat und Stativ zum Hotpot zu laufen und das 38 Grad warme Wasser zu geniessen. Wo kann man in einer kalten Nacht besser auf die tanzenden Geister der alten Seelen warten, wie hier?

Es sind noch andere Gäste da, ein Kanadier, eine Genferin und ein Weissrusse. 

Ich installiere das Stativ, richte die Kamera aus, mache Einstellungen und beginne zu warten und zu hoffen. Die Sonnenwindaktivität ist heute nicht besonders stark, mein Polarlichtapp zeigt eine Wahrscheinlichkeit von nur 12%, wir hatten auf dieser Reise schon 37%.

Dann steige ich ins warme Wasser zu Anita.

«Schau mal, die ersten Lichter» sagt sie sofort. Und tatsächlich, schwach am Horizont leuchtet es weiss-grünlich, mehr weiss wie grün. Durch den Fotoapparat sieht man aber die grünen Lichter stärker.

10 Minuten später ist es dunkler und die schwachen Polarlichter auf dem ganzen Himmel verstreut. Und dann werden sie stärker, manchmal direkt über uns, manchmal über den Bergen. Manchmal sind sie 10 Minuten fast bewegungslos und verschwinden dann wieder, andere kommen innerhalb einer Minute, werden leuchten stark grün und verschwinden ein paar Minuten später wieder.

Und dann wird es immer stärker und intensiver. Direkt über uns, ein satt grünes Licht das zu tanzen beginnt! Mehr als einmal. 

Es ist die Nacht der Geister der alten Wikinger, deren Seelen sich am Himmel zeigen, die Rüstung Odins, die im Himmel glänzt.

Ich drücke unaufhörlich auf den Auslöser, friere in der Kälte und in Badehosen und tauche dann wieder in den Laugar ein. Jedes Mal kochend heiss, wenn ich eiskalt hineinsteige. Der Kanadier kann es kaum fassen, der Weissrusse macht einen Nonstop-Film auf seinem Handy und die Genferin quatscht mit allen über ihre Reise.

Wir sitzen gemeinsam zwei Stunden im heissen Wasser und schauen fasziniert in den dunklen und grünen Himmel. Dann wird es irgendwann Zeit, ins Womo zu gehen und zu schlafen. Aber irgendwie nicht möglich, wir warten diese Welle noch ab und die nächste und die übernächste…

Dann scheint es vorbei zu sein, die Lichter leuchten schwach, wir laufen zum Womo. Und dann beginnt es von neuem, die Lichter, das Grün, die tanzenden Seelen und das Fotografieren.

Irgendwann können wir nicht mehr und gehen tatsächlich schlafen. Mit verdunkelten Fenstern, denn sonst sehen wir immer hinaus und würden kein Auge schliessen.

Wir träumen von Geistern, Rüstungen und alten Seelen.

Einstellungen Fotoapparat:
ISO 800, Belichtungszeit 4 Sek, Blende automatisch

Übernachtung

Sælingsdalslaug - Camping vor Hotel****
Camping

sehr ruhig, keine Abendsonne

Koordinaten: 65.24668,-21.80296
N 65° 14' 48.1"  E -21° 48' 10.7"
letzter Besuch: 9.2022

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